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Kirchen

Vom Küchenmeister zum Seelsorger




Thomas Ruthenberg
epd-bild/privat
Weil gute Arbeit mehr als "Lohn und Brot" ist, gibt es den kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt. Gerade im Gastgewerbe zeigt sich, wie eng Kirche und Handwerk miteinander verbunden sind. Es ist das Einsatzfeld von Diakon Thomas Ruthenberg.

Nürnberg, Dachau (epd). Keine Kammer bietet an, was Thomas Ruthenberg vom kirchlichen Dienst im Gastgewerbe für Auszubildende im Hotel, Restaurant und in der Küche macht: Intensiv-Kurse zur Vorbereitung auf die IHK-Abschlussprüfung, auch für Externe. „Es kommen Menschen, die teils zehn oder 15 Jahre Erfahrung haben in dem Beruf, aber noch keinen Abschluss haben“, sagt der Diakon und Küchenmeister. So wie Justine Selmaier, die zusammen mit ihrem Mann die „Einkehr zum Müllerbräu“ im oberbayerischen Töging leitet.

Weil sie Schwierigkeiten hatten, einen Koch zu finden, arbeitete die gelernte Hotelkauffrau jahrelang selbst in der Küche. „Irgendwann wollte ich einfach einen Stempel auf meinem Kochdasein haben“, beschreibt sie ihre Motivation, sich direkt für die Prüfung anzumelden. Auf den kirchlichen Dienst im Gastgewerbe stieß sie nach langer Suche nach einem Vorbereitungskurs. „Thomas hat uns wirklich an die Hand genommen und alle individuell unterstützt, egal wie gut sie Deutsch konnten“, sagt Selmaier. Der Kurs richtet sich bewusst auch an ausländische Fachkräfte, die in Deutschland noch einen anerkannten Abschluss brauchen.

Weit mehr als ein normaler Berufschullehrer

„Für mich war das Christliche, die Zusammenarbeit immer das Leitbild im Kurs“, erinnert sich Selmaier. „Thomas hat uns als Gemeinschaft zusammengebracht. Ich glaube, jemand anderem, der diesen Hintergrund nicht hat, wäre das egal gewesen.“ Die Teilnehmenden durften auch mit persönlichen Anliegen auf Ruthenberg zukommen, sagt sie. „Bei mir ist in der Zeit meine Großmutter gestorben und wir haben dann auch lang telefoniert. Das hätte ein normaler Berufsschullehrer definitiv nicht gemacht.“

Auf das Zwischenmenschliche achtet Thomas Ruthenberg auch bei seinem Online-Kursangebot „Ausbildung der Ausbilder“ (AdA). Es gehe ihm nicht nur darum, das Wissen zu vermitteln, um die Eignungsprüfung schnell zu bestehen. „Wir sprechen auch über die Grundbedürfnisse des Menschen. Ganz einfaches Beispiel: die Pausenregelung. Wann arbeiten wir, wann ruhen wir? Wer kümmert sich im Betrieb darum?“ Ausbilderinnen und Ausbilder haben die Verantwortung, für ihre Azubis darauf zu achten, sagt er.

Im Auszubildenden immer auch den Menschen sehen

Roman Schmuttermaier führt das Restaurant „Rind & Rebe“ in Dachau und hat an einem AdA-Kurs teilgenommen. „Ich bin gelernter Metzger und Koch und in meiner eigenen Ausbildung wurde es auch öfters mal lauter“, erzählt er. „Aber mit Schreien erreicht man niemanden mehr. Da verliert man die Leute.“ Er selbst achtet auf eine gute Portion Einfühlungsvermögen und will lernen, immer ganz individuell auf den Charakter des Menschen einzugehen, den er ausbildet.

Gastronomie ist für Thomas Ruthenberg immer auch Gastfreundschaft und damit etwas Urchristliches. „Ich komme aus dem ländlichen Raum und wenn man da die Gastwirtschaft sucht, schaut man zuerst nach der Kirche. Sie sind in direkter Nachbarschaft, weil sie sich ergänzen.“ Wenn Menschen nach dem Gottesdienst für ihr leibliches Wohl sorgen wollen, sind die Gastronomen immer da, weiß Ruthenberg. Deshalb sei es ihm wichtig, sich wiederum um diese Menschen besonders zu kümmern, beispielsweise durch Betriebsbesuche. Seit 1965 gibt es bei der Evangelischen Landeskirche die Gastbewerbe-Seelsorge, die auch Gottesdienste an arbeitsfreien Montagen organisiert.

Mit den Menschen ein Stück ihres Weges gehen

Ruthenberg selbst kennt sowohl Gastronomie als auch Kirche: „Meine Eltern hatten eine Wirtschaft, in der ich aufgewachsen bin. Mein frühester Berufswunsch war es, Koch zu werden.“ Als er bereits selbst Ausbilder war, kam er bei einer Fahrt nach Italien bei den Dillinger Franziskanerinnen vorbei. „Die suchten einen Küchenmeister, weil sie ihre Küche umbauen wollten. Ich habe Halt gemacht, die Oberin hat mich eingestellt und dort habe ich gemerkt, dass es noch eine andere Form gibt, für das Wohl der Menschen zu sorgen.“

Bei den Franziskanerinnen habe er gelernt, dass es nicht viel braucht. „Wichtig ist die Zuwendung. Das zeigt sich auch an den Vesperkirchen. Eine warme Suppe, ein Stück Brot und Menschen an meiner Seite reichen.“ Statt den Betrieb seiner Eltern zu übernehmen, ging Ruthenberg nach Rummelsberg und wurde Diakon. Seine Mission sieht er darin, „mit den Menschen ein Stück des Weges zu gehen“. Und er kann sich durchaus vorstellen, dass diese Werte gastronomische Berufe in Zeiten des Fachkräftemangels attraktiver machen können.

Julia Riese