Karlsruhe (epd). Auch Jobcenter müssen Fristen einhalten. Lässt sich die Behörde bei der zugesagten Kostenübernahme für ein von einer Grundsicherungsempfängerin eingeleitetes Widerspruchsverfahren zu viel Zeit, muss es mit einer Untätigkeitsklage rechnen, stellte das Bundesverfassungsgericht in einem am 15. März veröffentlichten Beschluss klar. Die angefallenen Anwaltskosten sind dann ebenfalls zu übernehmen, ohne dass das Jobcenter zuvor auf die drohende Untätigkeitsklage hingewiesen werden muss.
Damit bekamen eine Mutter und ihre zwei Kinder aus dem Raum Darmstadt recht, die noch das Anfang 2023 vom Bürgergeld abgelöste Hartz IV erhielten. Das Jobcenter hatte in einem Bescheid vom Oktober 2020 zu hohe Einkünfte bei der Frau berücksichtigt. Statt 907 Euro wurden 1.400 Euro bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zugrunde gelegt. Die Hartz-IV-Leistungen fielen entsprechend geringer aus.
Die Frau legte mithilfe eines Anwalts Widerspruch ein. Das Jobcenter gab ihr dann auch recht und korrigierte den Leistungsbescheid. Die Behörde sicherte ihr zudem die Übernahme der Anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren zu.
Doch als der Anwalt die Kostenfestsetzung einforderte, passierte nichts. Nach Ablauf der vorgegebenen sechsmonatigen „Wartefrist“ erhob er im Namen seiner Mandantin Untätigkeitsklage.
Das Sozialgericht Darmstadt meinte, dass die Arbeitslose die hierfür nun ebenfalls angefallenen Verfahrenskosten selbst tragen muss. Sie und ihr Anwalt hätten erst einmal beim Jobcenter nachfragen müssen, wie der Bearbeitungsstand sei. Dies gebiete die Pflicht zur Schadensminderung. Die Untätigkeitsklage sei „mutwillig“ erfolgt.
Das Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidung auf. Halten sich Jobcenter selbst nicht an geltende Fristen, sei eine Untätigkeitsklage „grundsätzlich nicht treuwidrig“. Hier habe das Jobcenter die Entscheidung über die konkrete Erstattung der Anwaltskosten für das Widerspruchsverfahren zu lange hinausgezögert. Eine Untätigkeitsklage sei damit „zulässig und begründet“, so dass das Jobcenter auch deren Kosten zu übernehmen habe. Das Gesetz sehe keine Pflicht vor, die Behörde auf den Fristablauf hinzuweisen und nachzufragen, ob denn bald eine Entscheidung über die konkrete Übernahme der Anwaltskosten zu erwarten sei.
Az.: 1 BvR 311/22