sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Gleiche Bezahlung von Männern und Frauen nicht verhandelbar




Eine Frau und ein Mann mit Büro-Akten
epd-bild/Jens Schulze
Gleich qualifizierte Frauen und Männer müssen bei gleicher Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten. Die Begründung, ein männlicher Stellenbewerber habe geschickter verhandelt als eine schlechter bezahlte Kollegin, ließ das Bundesarbeitsgericht nicht gelten.

Erfurt (epd). Männer und Frauen mit vergleichbarer Qualifikation und Erfahrung müssen gleich entlohnt werden. Nur weil ein männlicher Stellenbewerber ein gutes Verhandlungsgeschick hat, darf der Arbeitgeber eine vergleichbare weibliche Bewerberin nicht schlechter bezahlen, urteilte am 16. Februar das Bundesarbeitsgericht (BAG). Auch hier gelte der „Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche oder gleichwertige Arbeit“, entschieden die Erfurter Richter.

Gehaltsdifferenz von 1.000 Euro im Monat

Geklagt hatte eine Vertriebsmitarbeiterin eines großen Metallunternehmens in Meißen. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zum 1. März 2017 hatte der Arbeitgeber ihr ein monatliches Grundgehalt von 3.500 Euro in der Einarbeitungszeit zugesagt. Ab November sollte noch eine erfolgsabhängige Vergütung zusätzlich gezahlt werden.

Ein zuvor zum 1. Januar 2017 eingestellter männlicher Kollege hatte sich mit den auch ihm angebotenen 3.500 Euro nicht begnügen wollen. Der Mann verhandelte erfolgreich und erhielt während seiner Einarbeitungszeit 4.500 Euro. Danach bekam er ebenso wie die Klägerin ein Grundentgelt von 3.500 Euro. Ab Juli 2018 konnte der Mann sich noch einmal über einen Lohnaufschlag von weiteren 500 Euro freuen.

Die ungleiche Bezahlung zwischen ihm und der Klägerin änderte sich auch nicht, als in dem Unternehmen zum 1. August 2018 ein Haustarifvertrag in Kraft trat. Dieser sah vor, dass sich bei beiden Beschäftigten die Vergütung jedes Jahr um 120 Euro erhöht, bis ein Grundentgelt von 4.140 Euro erreicht ist. Bis dahin blieb zunächst ein Lohnunterschied von bis zu 500 Euro bestehen.

Die Frau fühlte sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert und verlangte einen Lohnnachschlag von 14.500 Euro sowie weitere 6.000 Euro für die erlittene Benachteiligung. Sie verwies auf das Entgelttransparenzgesetz und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Danach stehe Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine gleiche Vergütung zu.

Lohnnachzahlung von 14.500 Euro

Das BAG sprach der Klägerin die Lohnnachzahlung von 14.500 Euro zu. Der Arbeitgeber habe die Frau aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Sie habe trotz gleicher Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt als der vergleichbare männliche Kollege erhalten. Dies begründe die Vermutung einer Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der Arbeitgeber könne diese Vermutung auch nicht damit entkräften, dass der männliche Kollege bei der Einstellung besser verhandelt habe. Wegen der Benachteiligung aufgrund des Geschlechts stehe der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro zu, entschieden die obersten Arbeitsrichter.

Mit der ungleichen Bezahlung ist die Klägerin in Deutschland nicht allein. So verdienen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien wie Männer im Schnitt sieben Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen.

Unternehmer kritisieren Eingriff in die Vertragsfreiheit

Welche Auswirkungen das BAG-Urteil künftig auf die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Vergütung hat, ist aber umstritten, zumal die schriftlichen Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Die IG Metall sieht in dem Urteil einen wichtigen Schritt hin zu mehr Lohngleichheit, aber auch noch Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. „Neben Tarifverträgen können auch (ausgeweitete) Berichtspflichten und regelmäßige Prüfverfahren zu Entgeltgleichheit und Gleichstellung dafür sorgen, dass eine größere Lohngleichheit gewährleistet ist“, erklärte die Gewerkschaft. Prüfpflichten müssten für alle Betriebe - auch für kleinere - gelten. Hierzu müsse das Entgelttransparenzgesetz nachgeschärft werden.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberbände (BDA) kritisierte das Urteil und sieht darin einen Eingriff in die Vertragsfreiheit. „Die Vereinbarung von Entgelten ist Sache der Arbeitsvertragsparteien. Im konkreten Fall hat die Arbeitgeberin das Entgelt sogar nachträglich aufgrund eines Tarifvertrags erhöht und sich damit rechtskonform verhalten. Unterschiedliche Vergütungen sind legitim, gerade wenn sie sich - wie hier - an tariflichen Vorgaben orientieren.“

Der Verband „Die Familienunternehmer“ sieht in der Entscheidung „das Ende der Vertragsfreiheit“ und stellt fest: „Nun sind selbst unterschiedliche Gehaltsforderungen beim Einstieg oder das Verhandlungsgeschick von Mitarbeitern keine zulässigen Kriterien mehr für eine leistungsbezogene Entlohnung“, sagte Reinhold von Eben-Worlée, Präsident der Familienunternehmer. Unternehmen würden unter Generalverdacht gestellt, vorsätzlich zu diskriminieren.

Az.: 8 AZR 450/21

Frank Leth