Erfurt (epd). Ein als nebenamtlich geringfügig beschäftigter Rettungsassistent kann den gleichen Stundenlohn wie Vollzeitkräfte beanspruchen. Dass der Arbeitgeber geringfügig Beschäftigten die freie Dienstwahl ermöglicht, den Hauptamtlichen dagegen nicht, stellt keinen sachlichen Grund für eine schlechtere Bezahlung dar, urteilte am 18. Januar das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.
Geklagt hatte ein Rettungsassistent aus Bayern, der seit April 2015 als geringfügig Beschäftigter durchschnittlich 16 Stunden monatlich im Rettungsdienst arbeitete. Der Arbeitgeber, der für den Rettungszweckverband Notfallrettung im Raum München unter anderem Rettungsdienst- und Krankentransportleistungen erbringt, zahlte dem Mann einen Stundenlohn von 12 Euro brutto.
Feste, vom Arbeitgeber vorgegebene Dienste gab es nicht. Der Arbeitgeber fragte vielmehr beim Kläger per WhatsApp an, ob er Dienste besetzen will, die dieser aber nicht annehmen musste. Auch Wunschtermine für Einsätze konnten benannt werden. Bei hauptamtlich angestellten Rettungsassistenten wurden dagegen die abzuleistenden Dienste fest vorgegeben. Dafür erhielten sie jedoch einen höheren Stundenlohn von 17 Euro brutto.
Der „nebenamtliche“ Rettungsassistent wertete die ungleiche Bezahlung als Benachteiligung wegen seiner Teilzeitbeschäftigung. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz schreibe vor, dass ein Teilzeitbeschäftigter ohne sachlichen Grund nicht schlechter behandelt werden dürfe als eine Vollzeitkraft. Er mache die gleiche Arbeit, sei gleich qualifiziert und müsse daher auch den gleichen Stundenlohn erhalten. Er verlangte für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 einen Lohnnachschlag von 3.285 Euro.
Der Arbeitgeber lehnte das ab. Die unterschiedliche Bezahlung gehe darauf zurück, dass geringfügig Beschäftigte ihre Einsätze und die Arbeitszeit frei wählen könnten. Bei den hauptamtlich Beschäftigten und ihren vorgegebenen Dienstplänen profitiere das Unternehmen von einer höheren Planungssicherheit und einem geringeren Planungsaufwand. Das begründe die höhere Entlohnung.
Das Landesarbeitsgericht München gab dem Kläger mit Urteil vom 19. Januar 2022 recht. Die Möglichkeit zur freien Dienstwahl eines als Minijobber tätigen Rettungsassistenten sei kein sachlicher Grund für eine geringere Entlohnung. Die Praxis, geringfügig Beschäftigten eine niedrigere Vergütung zu zahlen, verstoße gegen das Benachteiligungsverbot.
Das BAG bestätigte die Entscheidung und sprach dem Kläger den Lohnnachschlag ebenfalls zu. Die unterschiedliche Bezahlung von Voll- und Teilzeitkräften sei sachlich nicht begründet. Es sei auch unerheblich, dass die nebenamtlichen Rettungsassistenten frei in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit seien. Der Arbeitgeber lasse „insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienst hat“, betonten die obersten Arbeitsrichter.
Nur weil ein hauptamtlicher Arbeitnehmer sich „auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss“, rechtfertige das „keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen“, urteilte das BAG. Ein sachlicher Grund, wie vom Gesetz verlangt, liege nicht vor.
In einem weiteren Verfahren hatte das LAG München am 17. März 2022 geurteilt, dass Teilzeitbeschäftigte jedoch unter bestimmten Voraussetzungen bei der betrieblichen Altersversorgung anders behandelt werden dürfen als Vollzeitkräfte. So dürften Arbeitgeber bei der Höhe der Betriebsrente auf das Einkommen der letzten zehn Jahre abstellen. Es stelle keine unzulässige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten dar, wenn diese noch vor dem Zehnjahreszeitraum in Vollzeit gearbeitet haben und dieses Einkommen nicht mehr berücksichtigt wird. Gegen das gesetzliche Benachteiligungsverbot von Teilzeitbeschäftigten werde nicht verstoßen, so das LAG.
Es sei nicht „sachwidrig“, wenn für die betriebliche Altersversorgung „auf die letzten zehn Jahre der Beschäftigungszeit abgestellt wird mit der Folge, dass vorherige Zeiten gegebenenfalls einer Vollzeitbeschäftigung unberücksichtigt bleiben“, befand das LAG. Der Zehnjahreszeitraum solle einen „repräsentativen Zeitraum“ festlegen, „in dem sich der durch den Arbeitsverdienst geprägte Lebensstandard verfestigt“ hat. Gegen das Urteil wurde Revision beim BAG eingelegt (Az.: 3 AZR 221/22), das am 20. Juni über das Verfahren entscheiden will.
Az.: 5 AZR 108/22 (BAG, Gleicher Lohn bei Teilzeitbeschäftigung)
Az.: 10 Sa 582/21 (LAG München, Gleicher Lohn bei Teilzeitbeschäftigung)
Az.: 7 Sa 588/21 (LAG München, Betriebsrente)