sozial-Recht

Sozialgericht

Zur sozialen Teilhabe gehört auch Kommunikation mit Familie



Duisburg (epd). Sprachbehinderten ausländischen Menschen müssen ausreichende Hilfsmittel zur Kommunikation mit ihrer Familie zur Verfügung gestellt werden. Denn zur sozialen Teilhabe behinderter Menschen in der Gesellschaft gehört auch die wechselseitige Kommunikation mit ihren Familienangehörigen, entschied das Sozialgericht Duisburg in einem am 5. Januar veröffentlichten Urteil.

Damit bekam eine heute 39-jährige, in Essen lebende Frau recht, die im Alter von zwei Jahren mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern aus Marokko nach Deutschland gekommen waren. Wegen einer in der Kindheit erlittenen Hirnentzündung besteht bei der Frau eine schwere Sprach- und Schluckstörung. Ihr wurde deshalb ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 zuerkannt.

Power Talker fehlt die passende Sprache

Um sich mit anderen Personen unterhalten zu können, hatte die Krankenkasse ihr einen sogenannten Power Talker bewilligt. Dabei handelt es sich um ein digitales Hilfsmittel, mit dem sich Sprachbehinderte etwa mit der Eingabe von Symbolen und Bildern oder Wörtern austauschen können. Das Gerät verfügt über eine Sprachausgabe und wird mit den Sprachen Deutsch und Englisch angeboten.

Mit ihrer Mutter und mit ihren in Marokko lebenden Verwandten konnte sich die behinderte Frau damit jedoch nicht verständigen, weil die nur die Berbersprache Tamazight verstehen. Die Frau verlangte vom Sozialhilfeträger erfolglos, dass der die Kosten für die Ausrüstung des Power Talkers mit der Sprache Tamazight übernimmt.

Gleichberechtigte Teilhabe muss ermöglicht werden

Das Sozialgericht gab der Klägerin recht und verwies zur Begründung auf die gesetzlichen Bestimmungen. Danach soll behinderten Menschen „eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ ermöglicht oder erleichtert werden. Entgegen der Ansicht des Sozialhilfeträgers seien auch weit entfernt wohnende Familienmitglieder Teil der Gesellschaft. Könnten erforderliche Hilfsmittel die Teilhabe am Leben in der Familie ermöglichen, müssten die dabei anfallenden Kosten vom Eingliederungshilfeträger übernommen werden.

Der Sozialhilfeträger habe keine Gründe genannt, warum die Familie nicht Teil der Gesellschaft sei. Hier sei die Ausstattung des Power Talkers mit der Sprache Tamazight erforderlich, um insbesondere die Kommunikation der Klägerin mit ihrer Mutter zu ermöglichen. Bislang gingen die Kontakte weitgehend einseitig von der Mutter aus. Weil der Sozialhilfeträger den Antrag auf Kostenerstattung nicht an die möglicherweise ebenfalls zuständige Krankenkasse weitergeleitet hat, sei nur dieser leistungspflichtig.

Az.: S 3 SO 94/22