sozial-Recht

Bundesgerichtshof

Vorsorgevollmacht umfasst nicht persönliche Pflege und Alltagshilfe




Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat über die Aufgaben eines betreuenden Angehörigen entschieden.
epd-bild/Uli Deck
Durch eine Vorsorgevollmacht bevollmächtigte Angehörige müssen nicht selbst Alltagshilfen für die zu betreuende Person erbringen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Er befand, dass es noch kein Grund ist, einen Berufsbetreuer zu bestellen, wenn ein bevollmächtigter Ehemann nicht in der Nähe der hilfebedürftigen Person wohnt.

Karlsruhe (epd). Ein mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigter Angehöriger muss nicht selbst Pflegeleistungen oder eine persönliche Hilfe im Alltag für die zu betreuende Person erbringen. Ist anderes nicht zusätzlich geregelt, berechtigt die Vorsorgevollmacht „den Bevollmächtigten nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet aber nicht zur persönlichen Betreuung“, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 28. Dezember 2022 veröffentlichten Beschluss. Der Bevollmächtigte müsse die notwendigen tatsächlichen Hilfen sicherstellen, sie aber nicht selbst leisten, betonten die Karlsruher Richter.

Im Streitfall hatte damit die Rechtsbeschwerde einer Frau aus Westfalen und ihres Ehemannes Erfolg. Die Frau leidet an einer paranoiden Schizophrenie und der Lungenerkrankung COPD. Im Februar 2019 wurde für sie eine Berufsbetreuerin bestellt. Die war unter anderen für die Aufenthaltsbestimmung, der Entscheidung über Unterbringungen und Freiheitsentziehungen, der Gesundheitsfürsorge und auch für Vermögensangelegenheiten zuständig. Auf Antrag der Berufsbetreuerin hatte das Betreuungsgericht die Frau zwischenzeitlich in einer geschlossenen Einrichtung unterbringen lassen.

Kranke Frau beantragte Aufhebung der Betreuung

Noch im Augst 2021 hatte die psychisch Kranke eine umfassende Vorsorgevollmacht zugunsten ihres Ehemannes ausgestellt. Gleichzeitig beantragte sie, die Betreuung aufzuheben.

Sowohl das Amtsgericht Gronau als auch das Landgericht Münster kamen dem nicht nach. Die Frau habe den Wunsch gehabt, nach ihrer Klinikentlassung dort in der Nähe zu wohnen. Ihr Ehemann wohne aber mehrere Fahrstunden von der Klinik entfernt. Daher sei er nicht in der Lage, die gesundheitliche Situation seiner Frau eng genug zu verfolgen und sie entsprechend zu betreuen.

Der BGH stellte jedoch fest, dass der bevollmächtigte Ehemann nicht persönlich Pflegeleistungen oder Alltagshilfen erbringen muss. Denn eine Vorsorgevollmacht umfasse zunächst nur die rechtliche Vertretung. Sei anderes nicht zusätzlich geregelt, sei der Bevollmächtigte auch nicht zu persönlichen Hilfsdiensten verpflichtet. Es reiche aus, wenn er die notwendigen Hilfen anderweitig organisiert, befand das Gericht.

Ehemann kann durchaus Vermögensfragen regeln

Dass der bevollmächtigte Ehemann dazu und zur rechtlichen Vertretung nicht in der Lage sein soll, habe das Landgericht aber nicht festgestellt, entschied der BGH. Zudem sei nicht ersichtlich, warum der Ehemann sich nicht um die Bereiche Vermögen und Geld kümmern kann.

Gerichte dürften sich nicht einfach über eine Vorsorgevollmacht hinwegsetzen. Das sei nur mit besonders wichtigen Gründen möglich. Hier sei zudem nicht festgestellt worden, ob die Frau tatsächlich eine eigene Wohnung in der Nähe der Klinik und damit weit entfernt von ihrem Ehemann bezogen hat. Doch selbst wenn das der Fall wäre, habe die psychisch kranke Frau das beim Verfassen der Vorsorgevollmacht mit bedacht. Allein die weite Entfernung zu ihrem Ehemann reiche noch nicht als Grund aus, die Vorsorgevollmacht zu übergehen. Das Landgericht Münster soll nun neu über den Fall entscheiden.

Vorschlag der Betreungsperson fast immer bindend

In einer Entscheidung vom 18. August 2021 hatte der BGH zudem bereits entschieden, dass psychisch kranke Menschen generell eine konkrete Person als Betreuer vorschlagen dürfen. Weder sei hierfür eine Geschäftsfähigkeit noch eine natürliche Einsichtsfähigkeit erforderlich, so der BGH im Fall eines Witwers von vier Kindern, der an einer fortgeschrittenen Demenz erkrankt war.

Nach dem Gesetz müsse regelmäßig die Person zum Betreuer bestellt werden, die der Betroffene auch wünscht. Nur wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuungsbedürftigen zuwiderlaufe, dürfe dessen Wunsch übergangen werden.

Habe der Betroffene niemanden als Betreuer vorgeschlagen, müsse bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen Beziehungen des Betroffenen und dessen persönliche Bindungen Rücksicht genommen werden, so das Gericht.

Betreuung sind enge Grenzen gesetzt

In einem weiteren Beschluss vom 21. April 2021 hatte der BGH betont, dass bevollmächtigte Personen auch nicht schalten und walten dürfen, wie sie wollen. So dürfen per Vorsorgevollmacht bevollmächtigte Kinder bei der Unterbringung ihrer an Parkinson und Demenz erkrankten Mutter in ein Pflegeheim nicht die Wünsche des 200 Kilometer entfernt wohnenden Ehemannes außer Acht lassen. Der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie müsse mit berücksichtigt werden. Wolle der Ehemann seine Frau selbst oder zumindest an seinem Wohnort pflegen lassen, könne bei einer fehlenden Einigung zwischen Ehepartner und bevollmächtigten Sohn die Bestellung eines Betreuers erforderlich sein.

Die Bestellung eines Berufsbetreuers sei auch dann erforderlich, wenn der laut Vorsorgevollmacht bevollmächtigte Angehörige seinen Aufgaben nicht nachkommt. Könne ein bevollmächtigter Angehöriger wegen eigener psychischer Probleme den Aufgaben nicht gerecht werden, dürfe das Betreuungsgericht den Berufsbetreuer zum Widerruf der Vorsorgevollmacht ermächtigen entschied der BGH in einem weiteren Beschluss vom 13. Mai 2019.

Az.: XII ZB 212/22 (Bundesgerichtshof Vorsorgevollmacht Betreuerwechsel)

Az.: XII ZB 151/20 (Bundesgerichtshof Betreuer Demenz)

Az.: XII ZB 164/20 (Bundesgerichtshof Vorsorgevollmacht Schutz der Ehe)

Az.: XII ZB 61/20 (Bundesgerichtshof Widerruf Vorsorgevollmacht)

Frank Leth