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Armut

Kirchengemeinden öffnen ihre Räume für Wohnungslose




Obdachloser in einer Kirche (Archivbild)
epd-bild/Hans-Gerd Martens
Eine warme Mahlzeit und ein Schlafplatz: Die Dresdner Nachtcafés für Wohnungslose sind derzeit voll besetzt. Kirchengemeinden bieten ihnen in der kalten Jahreszeit Räumlichkeiten. Betrieben wird das Projekt mit ehrenamtlichem Engagement und Spenden.

Dresden (epd). Jens und Thomas haben an einem Tisch im Dresdner Nachtcafé Platz genommen. Sie genießen das warme Essen und die einladende Atmosphäre. „Wir können für einen Euro abends essen gehen. Das gibt es sonst nicht“, sagt Jens. Er ist einer der Wohnungs- und Obdachlosen, die in den Nachtcafés der Kirchen regelmäßig zu Gast sind.

Rundum-Service für einen Euro

Seit 1995 öffnen evangelische und katholische Gemeinden zwischen Anfang November und Ende März über Nacht ihre Räume, an sieben Tagen in der Woche jeweils eine andere Gemeinde. Von 19 Uhr abends bis 7 Uhr morgens. Es gibt Abendessen und Frühstück, vor allem aber einen warmen Schlafplatz. Wer will, kann duschen oder auch Wäsche waschen. Manche kommen nur zum Reden. Der Rundum-Service kostet einen Euro pro Person.

Gerd Grabowski leitet das Projekt seit vielen Jahren. Für ihn ist das ehrenamtliche Engagement aller Beteiligten gelebte Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Diejenigen, die aus Kirchengemeinden kommen, hätten diese Motivation zu helfen. Die übrigen hätten das gleiche Wertesystem, auch wenn sie nicht christlich seien. „Wenn ich mit denen spreche, haben sie die gleiche Argumentation wie Christinnen und Christen, auch wenn sie vielleicht nicht das Wort Barmherzigkeit benutzen“, sagt Grabowski.

Die Dresdner Nachtcafés für Wohnungslose werden ökumenisch organisiert. Sonntags ist die katholische Pfarrei „St. Franziskus Xaverius im Dresdner Norden dran. Eine der Helferinnen ist Astrid Matterne. “Vor allem das warme Essen wird dankend angenommen", sagt sie. Auffallend sei aber auch der Bedarf an Zucker. Es werde viel davon in den Tee oder Kaffee gegeben.

Kirche glaubwürdig leben

Das gemeinsame Engagement für die Obdachlosen verbindet die Ehrenamtlichen. Probleme wegen unterschiedlicher Konfessionen kenne er nicht, sagt Ruben Enxing, der das Nachtcafé in „St. Franziskus Xaverius“ leitet. Auch zwischen den Pfarrern gebe es einen „kurzen Draht“. Neben evangelisch-lutherischen und katholischen Gemeinden ist auch eine evangelisch-methodistische Dresdner Kirchgemeinde dabei.

„Für viele ist es eine Gelegenheit, Kirche glaubwürdig leben zu können“, sagt Enxing. Deshalb engagierten sich die Menschen ehrenamtlich. Pro Kirchengemeinde beteiligen sich etwa 35 Personen an dem Projekt. Es brächten sich auch Menschen ein, die sonst nichts mit Kirchen zu tun hätten, sagt Enxing, weil sie darin „eine gute Möglichkeit sehen, sozial aktiv zu werden“.

Abendessen wird ab 20 Uhr angeboten, Frühstück ab 6 Uhr, dazwischen ist Nachtruhe. „Jeder kann kommen“, sagt Grabowski, „niemand wird gefragt nach Namen, Herkunft oder Religion.“ Finanziert wird das Hilfsprojekt überwiegend aus Spenden. Geld kommt unter anderem von Krankenkassen und Banken. Lebensmittel steuern Hotels, Tafeln und Bäckereien bei. Derzeit sind die Cafés voll besetzt. Gut 30 Menschen können pro Nacht aufgenommen werden.

Die Idee hatten Studierende

Helferinnen und Helfer berichten immer wieder, dass die Wohnungslosen für ein freundliches Wort sehr dankbar sind. Daher nehmen sie sich Zeit und reden mit den Bedürftigen. Oft nehmen Gäste und Gastgeber die Mahlzeiten gemeinsam ein. Ist das Vertrauen erst einmal aufgebaut, wird auch über Probleme gesprochen. Zum Teil können weitere Hilfen vermittelt werden.

Die Idee für das Projekt hatten Studierende der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit in Dresden. Sie wollten in den Wintermonaten zum Schutz vor der Kälte ein niedrigschwelliges Angebot für Wohnungslose schaffen. Im November 1995 öffnete das erste Nachtcafé in der Dreikönigskirche Dresden.

Grabowski ist optimistisch, dass das Projekt auch in schwierigen Zeiten weitergeführt werden kann. Zwar befürchtet er, dass die Spendenbereitschaft vor dem Hintergrund aktueller Krisen abnimmt. Doch er geht davon aus: „Schwere Zeiten schweißen auch zusammen.“

Katharina Rögner