Berlin (epd). Bei einer dauerhaften Zuwanderung von rund 400.000 Menschen pro Jahr könnte die Bevölkerung in Deutschland nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes bis 2070 auf 90 Millionen Einwohner anwachsen. Das geht aus der am 2. Dezember in Berlin vorgestellten 15. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung der Statistiker hervor. Sie haben dazu drei Szenarien zur Entwicklung der Bevölkerungszahl in den kommenden fünf Jahrzehnten durchgerechnet. Aktuell zählt Deutschland 84 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner.
Bei einer jährlichen Nettozuwanderung von durchschnittlich 290.000 Personen würde die Bevölkerungszahl bis 2031 auf 85 Millionen Menschen anwachsen und dann bis 2070 auf 83 Millionen zurückgehen, sagte der Leiter der Abteilung Bevölkerung im Statistischen Bundesamt, Karsten Lummer. Bei einer niedrigen Nettozuwanderung von 180.000 Personen pro Jahr würde die Bevölkerungszahl auf 75 Millionen Menschen im Jahr 2070 sinken.
„Langfristige Bevölkerungsvorausberechnungen sind keine Prognosen“, betonte Lummer. Sie lieferten „Wenn-Dann-Aussagen“ und zeigten, wie sich die Bevölkerung und deren Struktur unter bestimmten Annahmen verändern würden. Grundlage der Berechnungen sind die Faktoren Geburtenhäufigkeit (derzeit bei 1,58 Kindern je Frau), Lebenserwartung (78,5 Jahre bei Männern, 83 Jahre bei Frauen) und Außenwanderungssaldo.
Das Gros der Nettozuwanderung komme aktuell aus dem europäischen Ausland nach Deutschland, sagte der Leiter der Gruppe Demografie und Arbeitsmarkt, Stephan Lüken. Insbesondere die Staaten Osteuropas stünden aber auch vor einer starken Überalterung. „Dadurch könnten ihre Fachkräfte auf dem einheimischen Arbeitsmarkt gebraucht werden“, sagte Lüken.
Ohne Zuwanderung wäre die deutsche Bevölkerung dabei schon seit längerer Zeit geschrumpft. Seit 1972 sterben hierzulande mehr Menschen als geboren werden. 2021 lag das Geburtendefizit laut Lüken bei 230.000. Ohne Nettozuwanderung und bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung würde das jährliche Geburtendefizit bis 2055 auf 540.000 zunehmen und anschließend bis 2070 leicht sinken. Vermindert werde es nur durch Zuwanderung.
Deutschland erlebe derzeit eine spürbare Alterung des Erwerbspersonenpotenzials, weil die Babyboomer demnächst in Rente gehen, sagte Lüken. Aktuell gehörten 51,4 Millionen Menschen der Altersgruppe von 20 bis 66 Jahren an. Das entspreche 62 Prozent der Bevölkerung. Selbst bei einer hohen Nettozuwanderung rechnet das Bundesamt bis Mitte der 2030er Jahre mit einer Abnahme um 1,6 Millionen Menschen in der erwerbstätigen Bevölkerung. Bei niedriger Nettozuwanderung könne die Zahl sogar um 4,8 Millionen Personen sinken. 2070 könnte ihr Anteil bei nur noch 54 Prozent liegen.