Bern, Frankfurt a.M. (epd). Lea Huber ist seit ihrer Impfung gegen Covid-19 bettlägerig. „Ich schaffe gerade so den Weg zur Toilette mit dem Rollstuhl“, sagt die Schweizerin. Die Fenster ihres Zimmers sind abgedunkelt, Reize verträgt sie nur noch schlecht. „Die meiste Zeit liege ich und schaue eine Wand an“, sagt Lea. Die 17-Jährige leidet am „Post-Vac-Syndrom“.
Der Begriff „Post-Vac-Syndrom“ beschreibt die Impfnebenwirkungen, die nach der Covid-19-Schutzimpfung mit einem zugelassenen Impfstoff auftreten. Darunter fallen unter anderem chronische Erschöpfung, Müdigkeit, Hirnvenenthrombosen, Lähmungserscheinungen und Herzbeutelentzündungen.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im hessischen Langen ist für die Erfassung von Impfnebenwirkungen zuständig. Ärzte sind verpflichtet, dem PEI Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen zu melden. Dem aktuellen Sicherheitsbericht des Instituts zufolge kamen auf 1.000 Impfdosen je 0,3 Meldungen von Verdachtsfällen auf schwerwiegende Nebenwirkungen und Komplikationen. Das entspricht 0,03 Prozent.
Lea Huber musste ihre Ausbildung zur Landwirtin abbrechen. Im September 2021 ließ sie sich erstmals mit Moderna gegen Covid-19 impfen. Im Oktober erfolgte die zweite Impfung mit dem gleichen Wirkstoff. Erste Symptome wie Schüttelfrost, Fieber und Gelenkschmerzen hielt sie für normale Reaktionen. „Ich fühlte mich, als hätte ich eine Grippe“, erinnert sie sich.
Als sich eine starke Erschöpfung einstellte, suchte sie ihren Hausarzt auf. Im Unterschied zu anderen Ärzten nahm er ihre Symptome ernst. „Ich war in den vergangenen Monaten bei vielen Spezialisten, jedoch wurde ich immer wieder als psychisch krank abgestempelt“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Uniklinik Marburg ist eine der ersten, die seit Januar dieses Jahres eine Sprechstunde eigens für Menschen, die an Impfnebenwirkungen leiden, eingerichtet hat. Das Team rund um den Kardiologen Bernhard Schieffer bietet in seiner „Spezialsprechstunde Post-Vax“ Hilfe an. Aktuell befänden sich rund 4.000 Personen auf der Warteliste.
Der Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller vertritt die Interessen von Betroffenen. Die Wiesbadener Kanzlei hat nach eigenen Angaben seit Herbst 2021 mehr als 600 Mandanten mit dem Post-Vac-Syndrom betreut. „Es geht hier nicht um Lappalien wie Schmerzen an der Einstichstelle“, betont Cäsar-Preller. „Betroffene leiden unter Thrombosen, Verlust der Sehkraft oder chronischer Erschöpfung. Viele sind arbeits- und berufsunfähig.“
Er erwartet, in 95 Prozent der Fälle eine außergerichtliche Einigung erzielen zu können. Er nennt es einen Skandal, dass die Politik die Menschen animiert hatte, sich impfen zu lassen, aber nun niemand für die Schäden aufkomme. „Die Gewinne werden von den Impfstoffherstellern behalten, aber die Risiken werden sozialisiert“, sagt er.
Auch Pastorin Sandra A. aus Schwerin leidet unter dem Post-Vac-Syndrom. Sie ist dreimal geimpft, im Juni und Juli 2021 und im Februar 2022. „Meine Impfnebenwirkungen begannen nach der zweiten Impfung“, sagt sie. Die Symptome seien schwerwiegend: totale Erschöpfung, starke Konzentrationsstörungen, verschwommenes Sehen, Muskelschwäche, Schwindel.
„Ich hatte mich verrückterweise für eine dritte Impfung entschieden“, sagt die 43-Jährige. „Ich wagte in meiner Verzweiflung diesen Selbstversuch, aber leider ohne Erfolg.“ Täglich werde sie mit Unverständnis konfrontiert. „Auf der Arbeit werde ich genervt gefragt, ob ich denn nicht endlich mal ausgeschlafen hätte. Oder mir wird vorgeworfen, ich sehe gar nicht krank aus und könne es somit auch nicht sein“, sagt Sandra A.
Lea Huber, Sandra A. und weitere Betroffene fordern eine Aufklärungskampagne zum Post-Vac-Syndrom. „Wir brauchen Forschungsgelder für Medikamentenstudien“, sagt Huber. Sandra A. beklagt: „Wir werden von Politik und Verwaltung ignoriert.“