Sollten sich Bezieherinnen und Bezieher der Grundsicherung schon gefreut haben, dass sie ab 1. Januar nicht mehr Hartz-IV-Leistungen bekommen, sondern das neue Bürgergeld, so dürfte ihre Stimmung inzwischen getrübt sein. Denn es ist längst nicht ausgemacht, dass mit dem Bürgergeld für sie vieles besser wird als im vielfach geschmähten Hartz-IV-System.
Die Spitzen von CDU und CSU intensivieren ihre Attacken gegen die Bürgergeldpläne der Ampelkoalition. Und da diese im Bundesrat auf die Zustimmung der unionsgeführten Länder angewiesen ist, wird sie CDU und CSU entgegenkommen müssen.
Es scheint der Union nicht nur um Sachargumente, sondern auch um Stimmungsmache zu gehen. Sie behauptet, eine halbjährige „Vertrauenszeit“, in der den Beziehern von Bürgergeld nur eingeschränkt Leistungskürzungen drohen, sei zu großzügig. Denn dann, sagt sie, würden es sich Menschen lieber zu Hause bequem machen als einer Erwerbsarbeit nachgehen. Langzeit-Studien, die belegen, dass Sanktionen eher demotivierend als motivierend auf die Annahme eines Jobangebots wirken, werden hier einfach weggedrückt.
Und wie man es sich mit einem Regelsatz von 502 Euro für eine alleinstehende Person, den die Union erklärtermaßen unterstützt, zu Hause bequem machen soll, ist schleierhaft. Das könnte allenfalls jenen Langzeitarbeitslosen gelingen, die zuvor in einem anspruchsvollen Job gut verdient und viel gespart haben. Erarbeitetes Eigentum verdient Respekt. Ein hohes Schonvermögen ist daher gerechtfertigt.
Wo genau die Obergrenze hierfür liegen sollte, darüber lässt sich natürlich streiten. Die Union kritisiert, dass nach dem vorliegenden Gesetzentwurf in den ersten 24 Monaten Leistungen gewährt werden sollen, wenn kein „erhebliches Vermögen“ vorhanden ist. Hier gilt dann die Grenze von 60.000 Euro für den eigentlichen Leistungsbezieher und 30.000 Euro für jeden weiteren Menschen in der Bedarfsgemeinschaft. Bei einer vierköpfigen Familie wären dadurch 150.000 Euro Erspartes geschützt. Dieser Betrag für das Schonvermögen ist nach dem Urteil der Union zu hoch.
Die Klage von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, es sei ungerecht, dass Kassiererinnen, Busfahrer, Polizistinnen und Friseure weniger Geld zur Verfügung hätten als Bezieher des Bürgergeldes, ist ein gezielter Täuschungsversuch. Es dürfte in der Tat als ungerecht betrachtet werden, wenn Erwerbstätige netto einen geringeren Monatslohn erhalten, als Erwerbslose an staatlichen Transfers beziehen. So ist es aber nicht - auch weil gegen den jahrelangen Widerstand der Union ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wurde. Außerdem beziehen Geringverdienende staatliche Leistungen, die vom Bürgergeld abhängigen Menschen verwehrt bleiben: etwa Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag. Da können schon mehrere hundert Euro im Monat für einen Privathaushalt zusammenkommen.
Doch diese Vergleichsrechnungen tauchen in den Publikumsmedien kaum auf, darüber berichten sie nur selten. Je weniger die Bevölkerung über diese Lebensrealitäten informiert wird, umso leichter haben es die Vertreter einer „Sozialneiddebatte nach unten“, die der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge beobachtet.
Es ist die Aufgabe von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, sich noch stärker mit serösen Fakten in die öffentliche Debatte einzuschalten. Im besten Fall hilft es, bis zum Jahresende sachlich über die Details der Bürgergeldpläne wie die Höhe des Schonvermögens, die Erstattung der Warmmiete und die neuen Aufgaben der Jobcenter zu diskutieren - und vertretbare Änderungen am Gesetz zum Bürgergeld vorzunehmen.