Berlin (epd). Die Delegierten der Konferenz Diakonie und Entwicklung hat am 20. Oktober in Berlin beschlossen, in ihren Gremien einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent erreichen zu wollen. Diakonievorstand Maria Loheide erklärt im Interview, warum Frauen bisher zurückbleiben. Mit ihr sprach Bettina Markmeyer.
epd sozial: Frau Loheide, wie will die Diakonie mehr Frauen in Führung bringen?
Maria Loheide: Wir brauchen dringend eine verbindliche Regelung, weil der Frauenanteil zuletzt in einigen Gremien sogar zurückgegangen ist. Deshalb hat die Konferenz für Diakonie und Entwicklung heute erste Änderungen in der Satzung des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung und in der Geschäftsordnung beschlossen.
epd: Läuft das auf eine 50-Prozent-Quote hinaus?
Loheide: Ja, das denke ich schon - allerdings erst langfristig. Wir haben zunächst für die laufende Amtsperiode einige Übergangsregelungen beschlossen, damit Frauen bei Nachbesetzungen zum Zuge kommen. 2024 soll dann über eine verbindliche Quote entschieden werden.
epd: Bei den Regelungen für die Wirtschaft ist es so, dass der Platz in Aufsichtsräten leer bleiben soll, wenn die Quote nicht erfüllt wird. Ist das bei der Diakonie auch vorgesehen?
Loheide: Ja, so ist es. Da wir allerdings momentan mitten in einer Wahlperiode sind, ist jetzt geregelt, dass eine Frau nachberufen werden muss, sofern in der laufenden Amtsperiode ein Mitglied aus einem Gremium ausscheidet, bis ein Frauenanteil von mindestens 50 Prozent erreicht ist. Gelingt das nicht, bleibt dieser Platz bis zur nächsten Wahl unbesetzt.
epd: Gilt die Quote nur auf der Bundesebene oder auch in den Landes- und Fachverbänden der Diakonie?
Loheide: Die Konferenz für Diakonie und Entwicklung kann nur über ihre eigene Satzung bestimmen. Das heißt, die Quotenregelung gilt für das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung und seine Gremien. Parallel hat die Konferenz aber eine Empfehlung zur Gleichstellung in Einrichtungen der Diakonie beschlossen, in der ihnen die Umsetzung einer verbindlichen Quote nahegelegt wird.
epd: Warum haben in den Leitungsgremien der Diakonie immer noch Männer die Oberhand, obwohl sich die Belegschaften zu drei Vierteln aus Frauen zusammensetzen?
Loheide: Ein Grund ist, dass überwiegend Männer in Spitzenposten sind und zur Wahl stehen und es außerdem überwiegend Männer sind, die die zur Wahl stehenden Personen in diese Posten wählen.
epd: Aber warum ist das so? Passen die Arbeitsbedingungen in den Führungspositionen der Diakonie besser zu männlichen Karriereplänen als zu weiblichen?
Loheide: Ich setze mich seit über 30 Jahren dafür ein, dass wir die Rahmenbedingungen in Spitzenpositionen so verändern, dass wir mehr Frauen für diese Position gewinnen. Die Vereinbarkeit von Familie und Kindern mit einer Berufstätigkeit ist da nur ein Punkt.
Es geht auch darum - das ist jedenfalls meine Erfahrung -, dass wir Frauen anders ansprechen müssen. Wenn höhere Positionen ausgeschrieben werden oder die Frage aufkommt, wer wäre dafür geeignet, dann greifen Männer in der Regel schnell zu und bewerben sich. Die erste Frage unter Männern ist oft nicht: Was ist das für eine Aufgabe, und bringe ich die nötigen Kompetenzen mit?
Frauen gehen da etwas anders, zögerlicher heran. Sie fragen als erstes, was sind das für Aufgaben, die da auf mich zukommen? Kann ich die bewältigen? Kenne ich mich aus? Sie springen also nicht sofort auf den Zug auf. Deswegen muss man sie anders ansprechen als Männer.
epd: Welche Rolle spielen vorherige Absprachen bei der Besetzung von Führungspositionen?
Loheide: Ich glaube, dass auch in der Diakonie immer noch viele Posten von Männern an Männer vergeben werden. Wir alle kennen diese Studien, wonach Männer sich gegenseitig protegieren.
Aus eigener, jahrzehntelanger Erfahrung als Frau unter Männern in Leitungsfunktionen kann ich außerdem sagen, dass Frauen sich selbstverständlicher behaupten, sich Raum nehmen und sich mutig durchsetzen müssen. Wir müssen uns zu Wort melden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir gehört werden.