Lingen, Osnabrück (epd). Mit großen Augen verfolgt Rentner Hartmut Henke (67), wie Ohanes Agop die Lampe aus der Fassung in der Abzugshaube herausschraubt. „Halogen“, stellt der gebürtige Syrer fest und ergänzt mit strengem Blick: „Die verbraucht viel zu viel.“ Agop kontrolliert bei den Henkes im emsländischen Lingen als Stromsparhelfer alle elektrischen Geräte. Hartmut Henke ist froh über jeden Spartipp.
Er und seine Frau Walburga (60) müssen in ihrer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung mit 800 Euro Rente und 450 Euro aus seinem Mini-Job als Fahrer über die Runden kommen: „Damit kann man keinen Baum stemmen“, sagt der 67-Jährige. Da kommt dem Ehepaar der kostenlose Stromspar-Check von Caritas und Energieagenturen gerade recht. „Die Stromkosten fressen einen richtig auf“, klagt Hartmut Henke.
In dem bundesweiten, von der Bundesregierung noch bis April 2023 geförderten Projekt checken ausgebildete Stromsparhelfer bereits seit 2008, wo Haushalte mit geringem Einkommen noch Sparpotenzial haben. Teams der federführenden Caritas, aber auch von Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und dem Paritätischen sind mittlerweile in mehr als 150 Städten und Landkreisen bundesweit als Stromsparhelfer im Einsatz. Die Energieagenturen übernehmen deren Schulung.
Aufgrund der Energiekrise mit Preiserhöhungen von mehr als 100 Prozent steigt die Nachfrage gerade rasant. „Die Kommunen stehen aktuell Schlange, um Stromspar-Check-Standort zu werden“, sagt Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Sie hofft deshalb, dass der Bund dafür auch weiterhin zahlt. „Ausgerechnet jetzt die Förderung zurückzufahren, wäre paradox.“ Bislang wurden in Deutschland rund 400.000 Haushalte gecheckt. Im Schnitt spart jeder Haushalt seitdem 190 Euro pro Jahr. Nach und nach soll die Beratung auf die Themen Heizung und Lüftung ausgeweitet werden.
Menschen, die Sozialleistungen bezögen oder im Niedriglohnsektor arbeiteten, schafften es schon zu normalen Zeiten in der Regel nicht, Rücklagen zu bilden, sagt Luca Treidel, Projektleiterin beim Stromspar-Check Osnabrück. Anders als die Heizkosten bekommen Hartz-IV-Bezieher die Stromkosten nicht vom Jobcenter ersetzt. Da mache sich jeder eingesparte Cent im Portemonnaie bemerkbar.
Die Stromsparhelfer checken bei einem ersten Besuch vor Ort anhand eines mehrseitigen Fragebogens, wo am meisten Strom verbraucht wird. „Die häufigsten Stromfresser sind neben alten Glühbirnen und Halogenlampen vor allem Plasma-Fernseher, Wäschetrockner, alte Kühlschränke oder Computer im Stand-by-Modus“, erklärt Norbert Hermes, der bereits seit fünf Jahren als Stromsparhelfer tätig ist. „Wenn zum Beispiel ein Ein-Personenhaushalt im Jahr 3.000 Kilowattstunden Strom verbraucht, dann stimmt etwas nicht.“ Ein sparsamer Haushalt komme auf maximal 1.000 bis 1.200 Kilowattstunden.
Nach der Auswertung besucht Hermes die Personen ein zweites Mal - mit Tipps für Verhaltensänderungen und einer kostenlosen Energiespar-Ausstattung im Gepäck: „Dazu gehören Energiesparlampen, ausschaltbare Steckdosenleisten, Zeitschaltuhren oder auch ein Sparduschkopf.“ Zusätzlich können die Haushalte einen 100-Euro-Zuschuss für einen neuen Kühlschrank erhalten.
Fast überall arbeiten die Stromsparhelfer auch mit Schuldnerberatungsstellen zusammen. Von dort kämen alarmierende Zahlen, sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Immer mehr Menschen gerieten in akute Not, nähmen Schulden bei Freunden auf „und kommen dann aus dieser Spirale gar nicht mehr raus“.
Die Diakonie Osnabrück hat seit einem halben Jahr eine Energieschuldenberatung, um Strom- und Gassperren zu verhindern. Leiter Axel Winter geht davon aus, dass die Zahl seiner Klienten ab Januar deutlich ansteigen wird, wenn die gestiegenen Energiepreise sich in den Abschlagszahlungen widerspiegeln. Zunehmend sei auch die untere Mittelschicht betroffen. „Wir merken, dass die Menschen schon allein aufgrund der gestiegenen Lebensmittelpreise mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen.“
Hartmut Henke und seine Frau sind es gewohnt, sich einzuschränken. „Bisher sind wir immer über die Runden gekommen“, sagt er. Die Tipps von Stromsparhelfer Agop wollen sie auf jeden Fall beherzigen: Immer das Licht ausschalten, Spül- und Waschmaschine erst laufen lassen, wenn sie voll sind, öfter mal Radio hören statt fernzusehen. „Wenn alles auf Sparflamme ist, geht es uns vielleicht etwas besser“, hofft der Ehemann und schiebt hinterher: „Es ist ja nicht so, dass man alles im Überfluss hat.“