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Kontroverse um Freigabe von Cannabis




Cannabis
epd-bild/Jürgen Blume
Unter dem Hashtag #Dufehlst erzählen Angehörige in den sozialen Medien von Menschen, die an Drogen gestorben sind - und plädieren für eine Legalisierung von Rauschmitteln. Die Pläne der Ampel, Cannabis freizugeben, stoßen bei Ärzten auf Kritik.

Hamburg, Großrückerswalde (epd). Im Jahr 2020 starben in Deutschland nach offiziellen Angaben fast 1.600 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie ist der Gebrauch illegaler Drogen gegenüber dem Vorjahr um rund 13 Prozent gestiegen. Sind die Zahlen Ausdruck einer gescheiterten Drogenpolitik?

In den sozialen Medien, vor allem auf Twitter, findet unter dem Hashtag #Dufehlst eine Kontroverse statt. Diskutantinnen und Diskutanten klagen über eine Stigmatisierung von Drogenabhängigen, denn sie halte Betroffene davon ab, über ihre Sucht zu reden und Hilfe zu suchen.

Nach Entzug wieder rückfällig

Eine von ihnen schreibt: „Ich habe Menschen gekannt, die an der Doppelbelastung von Sucht und Strafverfolgung zugrunde gegangen sind.“ Eine andere Person berichtet über ihre Studienfreundin Marie, die nach zweimaligem Entzug rückfällig geworden sei. „Langsam entglitt ihr wieder alles. Aus Angst vor der Strafverfolgung hat sie sich keine Hilfe mehr gesucht.“ Ein Weiterer klagt: „Eine verfehlte Drogenpolitik hat meine Familie kaputtgemacht und meinem Bruder das Leben gekostet.“ Er fordert, den Konsum von Drogen zu legalisieren.

Andere Länder in Europa haben das bereits getan. So sind in Portugal seit 2001 alle Drogen legal. Seither ist die Zahl der Drogentoten gesunken: Während es laut Drogenbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 2001 in Portugal noch 280 Drogentote gab, waren es im Jahr 2018 nur 55.

Uwe Wicha, Leiter einer Fachklinik für Drogentherapie im sächsischen Großrückerswalde, hat Bedenken, das portugiesische Modell zu kopieren. „Die Zahl der Drogentoten mag zwar zurückgegangen sein, aber nicht der Konsum“, erklärt er. So schaffe etwa Cannabis häufig Abhängigkeit. Die Hoffnung, durch Legalisierung einen besseren Jugendschutz zu betreiben, hält Wicha für eine Illusion. „Im Gegenteil: Wenn eine Droge legal ist, denken sich Jugendliche, so schlimm kann sie nicht sein.“

Laut Drogen- und Suchtbericht 2019 der Bundesregierung haben zehn Prozent aller Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren schon einmal Cannabis konsumiert - obwohl die Substanz in Deutschland nur illegal auf dem Schwarzmarkt erhältlich ist.

Flächendeckend Substitutionsangebote

Linda Heitmann, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Ich glaube, dass eine Entkriminalisierung dazu führen kann, dass über gesundheitliche Gefahren und Wechselwirkungen eines Drogenkonsums offener gesprochen wird.“ Dazu fordert sie einen Ausbau der Beratungsangebote.

Um die Zahl der Drogentoten zu reduzieren, braucht es ihrer Ansicht nach „eine Sicherstellung flächendeckender Substitutionsangebote, damit mehr Abhängige diese wahrnehmen können“. Zudem fordert sie „gute Substitutionsangebote im Gefängnis und nach der Haftentlassung. Das ist ein sehr kritischer Moment, in dem viele Rückfälle und Überdosierungen vorkommen, die vermeidbar sein sollten“, sagt Heitmann.

Die Ampel plant laut Koalitionsvertrag die Einführung der kontrollierten Abgabe von Cannabis. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat laut einem Medienbericht Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung vorgelegt. Danach soll künftig der Kauf und Besitz von 20 Gramm Cannabis für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich straffrei sein, wie das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ am 19. Oktober berichtete. Die Vorschläge würden derzeit zwischen den Ministerien der Bundesregierung abgestimmt.

In einem Appell äußern sich die deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen und -medizinischen Fachgesellschaften und Verbände besorgt. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat den Appell unterschrieben. Er warnt vor gesundheitlichen Schäden für Jugendliche: „Der Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und psychischen Störungen ist gut belegt.“ So litten jugendliche Cannabis-Konsumenten 3,4-mal so häufig an Psychosen als Abstinente.

„Ich arbeite mit vielen Jugendlichen zusammen, die mir sagen, sie hätten Cannabis unterschätzt.“ Und er fügt hinzu: „Wir werden bei einer Legalisierung mehr Suizide im Zusammenhang mit Cannabiskonsum haben.“

Stefanie Unbehauen


Weiterführende Links

Zahl der Drogentoten während der Corona-Pandemie


Franziska Schreiber auf Twitter #Dufehlst


Maria Krause auf Twitter


Jugendrichter Müller auf Twitter


Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 2002, Seite 18 (engl., PDF)


Europäischer Drogenbericht 2021, Seite 52 (PDF)


Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2021, Seite 68-69 (PDF)


Koalitionsvertrag, Seite 87 (PDF)


Appell von Kinder- und Jugendpsychiatern zur Legalisierung von Cannabis (PDF)

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