sozial-Recht

Oberlandesgericht

Verweigerter Schulbesuch kann zu teilweisem Sorgerechtsentzug führen



Karlsruhe (epd). Eltern gefährden bei einer andauernden Schulverweigerung das Wohl ihres Kindes. In solch einem Fall ist der teilweise Entzug des Sorgerechts daher gerechtfertigt, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem am 11. Oktober bekanntgegebenen Beschluss. Eine Unterrichtung des Kindes durch die Eltern könne die Kindeswohlgefährdung nicht beseitigen, da der Zweck der Schulpflicht weit über die Wissensvermittlung hinausgehe.

Im konkreten Fall ging es um eine Familie mit vier Kindern. Der älteste Sohn sollte im September 2021 eingeschult werden. Doch die Eltern schickten das Kind an keinem einzigen Tag zur Schule. Zunächst begründeten sie das mit der Corona-Pandemie und der in der Schule bestehenden Test- und Maskenpflicht.

Jugendamt sollte Schulbesuch gewährleisten

Als die Maßnahmen nicht mehr bestanden, erklärten die Eltern, dass ihr Kind beim „Freilernen im “Homeschooling" das nötige Wissen erlangen könne. Ihr Sohn habe den Wunsch, dies so fortzusetzen. Sein Bildungsstand könne jederzeit überprüft werden. Der Anordnung des Familiengerichts Offenburg, für einen Schulbesuch zu sorgen, kamen die Eltern nicht nach.

Daraufhin entzog das OLG den Eltern „in Bezug auf die schulischen Angelegenheiten“ das Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn. Stattdessen sollte das Jugendamt den Schulbesuch nun gewährleisten. „Diese Maßnahmen sind im Grundsatz geeignet, dem Missbrauch der elterlichen Sorge durch die schulverweigernden Eltern entgegenzuwirken“, so das OLG.

Anhaltspunkte für erhebliche Kindeswohlgefährdung

Denn mit der Schulverweigerung bestünden trotz Homeschooling „Anhaltspunkte für eine erhebliche Kindeswohlgefährdung“. Denn der Schulbesuch bestehe nicht nur aus Vermittlung von Wissen und sozialen Fertigkeiten. Vielmehr diene die Schulpflicht auch dem staatlichen Erziehungsauftrag und den dahinterstehenden Gemeinwohlinteressen. Nur in der Schule komme es zur Begegnung mit Andersdenkenden und Minderheiten. Dies wirke der Entstehung weltanschaulich motivierter Parallelgesellschaften entgegen und fördere „die Fähigkeit aller Schüler zu Toleranz und Dialog“.

Durch die Schulverweigerung werde „nicht nur die Entwicklung des Kindes zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit, sondern auch dessen gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft gefährdet“. Der Schulbesuch könne auch nicht dem Willen eines siebenjährigen Kindes überlassen werden. Denn dieses könne „die damit zusammenhängenden Auswirkungen nicht annähernd überschauen“.

Az.: 5 UFH 3/22