Kassel (epd). Die rückwirkende Anerkennung einer vollen Erwerbsminderungsrente kann auch zu einem rückwirkenden Anspruch auf den Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen führen. Der Anspruch auf den Mehrbedarf besteht ab Feststellung der vollen Erwerbsminderung, urteilte am 6. Oktober das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen können voll erwerbsgeminderte Personen, denen das Merkzeichen „G“ (erhebliche Gehbehinderung) oder „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) erteilt wurde, vom Sozialhilfeträger einen Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 17 Prozent der jeweiligen Regelbedarfsstufe geltend machen. Bei einer Regelleistung für einen Alleinstehenden von derzeit 449 Euro monatlich kommt damit noch einmal ein Zuschlag von 76,33 Euro hinzu. Um den Zuschlag erhalten zu können, müssen die Schwerbehinderung und das Merkzeichen nachgewiesen werden.
Im Streitfall hatte der aus dem Landkreis Bautzen kommende krebskranke Kläger zunächst vom Jobcenter Hartz IV erhalten. Den ab August 2017 beantragten Mehrbedarf für schwerbehinderte Menschen lehnte die Behörde indes ab. Als dem Mann jedoch im November 2019 rückwirkend ab September eine volle Erwerbsminderungsrente zugesprochen wurde, wurde der Mehrbedarf dagegen nicht rückwirkend, sondern erst ab November gewährt. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hielt das für rechtmäßig. Der noch beim Jobcenter gestell-te und damals abgelehnte Antrag genüge nicht, so das Gericht.
Doch das BSG urteilte nun aber, dass dem Kläger auch rückwirkend, ab September 2019, der Mehrbedarf für Schwerbehinderte zusteht. Maßgeblich für den Anspruch sei nicht, wann der Rentenversicherungsträger über den Antrag entschieden hat, sondern ab wann die betroffene Person voll erwerbsgemindert ist. Hier habe der Kläger auch bereits beim Jobcenter rechtzeitig den erforderlichen Antrag gestellt.
B 8 SO 1/22 R