Berlin (epd). Die von der Bundesregierung angekündigte Einführung einer sogenannten Chancenkarte für Ausländer, die in Deutschland einen Job suchen, greift nach Ansicht des Sachverständigenrates für Migration (SVR) zu kurz. „Einzig und allein für den Bereich der Arbeitsplatzsuche lohnt ein Punktesystem nicht. Ein solches System sollte die schon bestehenden Zugangsmöglichkeiten sinnvoll erweitern. Es müssen also mehr Menschen davon profitieren können, als dies derzeit der Fall ist“, sagte Petra Bendel, Vorsitzende des SVR, am 29. September in Berlin.
Deshalb plädiere der Sachverständigenrat dafür, den Anwendungsbereich eines Punktesystems weiter zu fassen als im Koalitionsvertrag skizziert und macht in einem Positionspapier eigene Vorschläge.
„Wenn es bei der Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems bleibt, geht es auch hier um Grundsatzentscheidungen. Damit ein Punktesystem einen Mehrwert darstellt, sollten auch solche Ausländerinnen und Ausländer in den Blick genommen werden, die im deutschen Erwerbsmigrationsrecht bislang nicht systematisch erfasst sind: Arbeitskräfte ohne Formalqualifikation.“ Sie sollten künftig die Möglichkeit haben, anhand weiterer Kriterien bewertet zu werden. Vor allem praktische Erfahrungen sollten hier zum Tragen kommen, erläuterte die Vorsitzende.
In der Praxis erweise sich der Gleichwertigkeitsnachweis noch zu oft als zentrale Zuzugshürde. „Nicht alle können eine Ausbildung nach deutschen Standards nachweisen.“ Hier müsse man nachsteuern, so Bendel.
So könnte etwa ein schon vorhandener Arbeitsvertrag als Kriterium herangezogen werden. Auch die Berufserfahrung und das Lebensalter, Sprachkenntnisse oder ein vereinbartes Mindestgehalt könnten sich positiv auf die Bewertung auswirken. Auch die Zugehörigkeit zu einem Mangelberuf könnten im Rahmen eines Punktesystems positiv angerechnet werden, so der SVR.
Bendel weiter: „Schon jetzt zeigt sich, dass die Verwaltungsstrukturen deutscher Behörden nicht optimal funktionieren - sowohl im Inland als auch im Ausland.“ Hier müssten Arbeitskräfte, die ein Visum beantragen, oft mehrere Monate auf einen Termin warten. „Durch die Eröffnung neuer Möglichkeiten der Zuwanderung durch eine Chancenkarte wird der Reformbedarf noch dringlicher. Wenn wir ein erfolgreiches Erwerbsmigrationsrecht haben wollen, müssen wir überflüssige Bürokratie abschaffen, Anerkennungsverfahren vereinfachen, Prozesse digitalisieren und die beteiligten Behörden personell besser ausstatten“, betonte die Vorsitzende. „Wir müssen schneller und flexibler werden, um fähige und motivierte Arbeitskräfte für Deutschland zu interessieren.“
„Der SVR unterstützt mit Nachdruck das Vorhaben der Bundesregierung, die Anerkennungsverfahren schlanker und transparenter zu gestalten und gemeinsam mit der Wirtschaft aktiv junge Menschen für eine duale Ausbildung in Deutschland zu gewinnen“, sagte SVR-Vize Daniel Thym.