Erfurt (epd). Eine vom Arbeitgeber freiwillig gezahlte Corona-Prämie darf überschuldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht weggepfändet werden. Das gilt zumindest dann, wenn die Prämie ein Bonus für die erschwerten Arbeitsbedingungen in der Pandemie darstellt und der „Rahmen des Üblichen“ nicht überstiegen wird, urteilte am 25. August das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.
Im Streitfall wollte der Betreiber einer Gaststätte in Niedersachsen einer angestellten Küchenhilfe, die auch als Thekenkraft eingesetzt wurde, wegen der erschwerten Arbeitsbelastungen in der Pandemie etwas Gutes tun. Er zahlte der Frau im September 2020 freiwillig eine Prämie in Höhe von 400 Euro. Hinzu kamen noch der reguläre Bruttolohn von 1.350 Euro sowie 66,80 Euro für Sonntagszuschläge.
Doch die Frau war überschuldet und befand sich in einem laufenden Insolvenzverfahren. Als der Arbeitgeber ihr die Prämie zahlte, griff die Insolvenzverwalterin auf das Geld zu. Denn die Prämie führte dazu, dass der Verdienst der Frau nun über dem Pfändungsfreibetrag lag. Mit Erhalt der Corona-Prämie ergebe sich ein pfändbarer Betrag in Höhe von 182,99 Euro netto, meinte die Insolvenzverwalterin.
Sie verwies darauf, dass die Corona-Prämie freiwillig gezahlt worden und damit pfändbar sei. Anderes gelte nur für den Pflegebereich, bei dem der Gesetzgeber ausdrücklich die Unpfändbarkeit der verbindlich gezahlten Prämie bestimmt habe.
Doch die Corona-Prämie gehört „nicht zum pfändbaren Einkommen der Schuldnerin“, urteilte nun das BAG. Der Arbeitgeber habe mit der Prämie „eine bei der Arbeitsleistung der Schuldnerin tatsächlich gegebene Erschwernis kompensieren“ wollen. Erschwerniszulagen seien nach dem Gesetz aber unpfändbar. Die Prämie habe auch nicht den Rahmen des Üblichen überschritten, so das Gericht.
Doch nicht nur eine Corona-Prämie, sondern auch der Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung ist vor einer Pfändung geschützt. Es handelt sich bei den im Wege der Entgeltumwandlung und vom Arbeitgeber gezahlten Versicherungsprämien der betrieblichen Altersversorgung nicht um pfändbares Einkommen, urteilte das BAG bereits am 14. Oktober 2021.
Im entschiedenen Fall wollte ein geschiedener Ehemann wegen aufgelaufener Schulden im Zusammenhang mit einem Immobilienbau von seiner Ex-Frau möglichst viel von ihrem Arbeitseinkommen pfänden lassen. So sollten die Schulden abgestottert werden. Als die Frau mit ihrem Arbeitgeber jedoch eine betriebliche Altersversorgung vereinbarte, indem ein Teil ihres Einkommens dafür verwendet wird, stand weniger Geld zur Schuldentilgung zur Verfügung.
Die Prämien zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung sind vom Gesetzgeber vor der Pfändung geschützt, urteilte das BAG. Dieser Schutzzweck werde nicht erfüllt, wenn der für die betriebliche Altersversorgung vorgesehene Teil des Arbeitseinkommens gepfändet werden könne. Nach dem Betriebsrentengesetz könne jeder Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Gehaltsansprüchen bis zu vier Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden.
Schuldner müssen sich aber bemühen, ihre Schulden zu begleichen. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 1. März 2018, dass überschuldeten Teilzeitbeschäftigten es regelmäßig zuzumuten ist, sich einen Vollzeitjob zu suchen. Im konkreten Fall ging es um einen überschuldeten Vater von zwei Kindern, der Privatinsolvenz angemeldet hatte. Der Mann ging lediglich einem Teilzeitjob nach.
Eine Gläubigerin hatte daher beantragt, dem Mann die Restschuldbefreiung zu verweigern. Die sieht der Gesetzgeber für Schuldner vor, die sich um die Schuldentilgung auch bemühen. Haben sich Schuldner üblicherweise sechs Jahre lang (seit Oktober 2020 drei Jahre lang) „wohlverhalten“, konnten sie von dem Rest ihrer Schulden befreit werden.
Von Teilzeit-Beschäftigten könne dabei verlangt werden, dass sie sich um eine angemessene Vollzeitstelle bemühen, so der BGH. So dürften arbeitslose Schuldner eine zumutbare Arbeit nicht ablehnen und müssten eine berufsfremde, eine auswärtige und notfalls auch eine Aushilfs- oder Gelegenheitstätigkeit annehmen und sich bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend melden. Auch ausreichende Bewerbungsbemühungen, etwa zwei bis drei Bewerbungen pro Woche, seien zumutbar.
Dagegen zeigte der BGH in einem am 3. März 2016 veröffentlichten Beschluss auch auf, dass Gläubiger nicht auf alle Geldzuflüsse Zugriffe haben. So darf bei überschuldeten Hartz-IV-Beziehern eine vom Vermieter erhaltene Nebenkostenerstattung nicht gepfändet werden. Gläubiger hätten zudem keinen Anspruch darauf, dass überschuldete Arbeitslose ihnen bei einer abzugebenden Vermögensauskunft Namen und Anschrift des Vermieters nennen.
Denn die Heiz- und Nebenkosten seien zur Sicherung des Existenzminimums vom Jobcenter gezahlt worden. Komme es zu einer Erstattung, werde das Geld im darauffolgenden Monat als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II mindernd angerechnet.
Könne die Erstattung dagegen gepfändet werden, würde dies zulasten öffentlicher Mittel gehen. „Dem Schuldner würden Mittel entzogen, die ihm der Staat aus sozialen Gründen mit Leistungen der Sozialhilfe wieder zur Verfügung stellen müsste.“
Az.: 8 AZR 14/22 (BAG, Corona-Prämie)
Az.: 8 AZR 96/20 (BAG, betriebliche Altersversorgung)
Az.: IX ZB 32/17 (BGH, Teilzeitstelle)
Az.: I ZB 74/15 (BGH, Nebenkostenerstattung)