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Teurer Schulanfang




Oft teure Anschaffung: Schulranzen im Fachgeschäft
epd-bild/Tim Wegner
Wenn die Schule nach den Sommerferien wieder beginnt, müssen für Eltern von Erstklässlern oft teurer Schulsachen kaufen. Für arme Familien ist das eine große finanzielle Herausforderung.

Offenburg, Hannover (epd). Die alleinerziehende Mutter Sybille Horn (Name geändert) blickt mit Sorge auf die Einschulung ihrer jüngsten Tochter. Denn sie ist mit hohen Kosten verbunden. „Ich wohne auf dem Dorf und unsere Grundschule ist dafür bekannt, sehr hohe Anforderungen zu stellen“, sagt die 35-Jährige.

Dementsprechend lang sei auch die Liste mit geforderten Anschaffungen. „Das ist eine ganze DIN-A4 Seite. Nur für die erste Klasse“, sagt die Mutter von drei Kindern im Alter von 6, 9 und 15 Jahren. Gebraucht werden nicht nur Filz-, Folien- und Wachsstifte, sondern auch Knete, Bastelunterlagen, Schnellhefter und Buchständer. In der Schule ihres Ältesten hingegen wurden all diese Dinge gestellt. Der Viertklässler habe zwar bereits die Grundausstattung, aber auch hier müssen Hefte, Stifte und Heftumschläge ersetzt werden.

Schulstart kostet je Kind mindestens 200 Euro

Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov für die Online-Handelsplattform Ebay zufolge geben Eltern im Schnitt zwischen 200 und 299 Euro für den Schulstart ihrer Kinder aus. Bei fünf Prozent der befragten Haushalte waren es sogar über 1.000 Euro. Für jede vierte Familie ist das eine finanzielle Herausforderung. Für Armutsbetroffene gebe es meist nur eine Lösung: gebraucht kaufen. So gaben 13 Prozent an, Schulranzen und Federmäppchen aus zweiter Hand zu erwerben.

Das Bundesministerium für Familie (BMFSJ) unterstützt Eltern und Alleinerziehende, die entweder Wohngeld oder den Kinderzuschlag erhalten. Im Paket „Bildung und Teilhabe“ sind für die Ausstattung von Schulbedarf 156 Euro pro Schuljahr vorgesehen, wie das Amt auf ihrer seiner Homepage berichtet.

„Alles nicht mehr zu stemmen“

Für Horn reiche das bei Weitem nicht aus. Obwohl Baden-Württemberg Lehrmittelfreiheit habe, kommen noch acht Euro für Kunstmaterialien und 25 Euro für Mathe-Übungshefte und Kopien obendrauf - verpflichtend zu zahlen am ersten Elternabend. Geld für die Klassenkasse kommt noch hinzu. „Das ist alles nicht mehr zu stemmen,“ sagt die Mutter.

Horn wollte ursprünglich Gymnasiallehrerin werden. In diesem Beruf kann sie jedoch aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht arbeiten. „Ich habe katholische Theologie, Geschichte und Latein studiert. Aber wegen meiner Behinderung war ich jahrelang krankgeschrieben und beginne im September eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten.“

Schulkosten sind unberechenbar

Mit Ausbildungsbeginn rutsche sie aus Hartz IV heraus. Vom Geld für den August müsse sie also zwei Monate lang leben. Ihr Großer hat gerade einen Hauptschulabschluss gemacht und wechselt auf die Berufsfachschule für die mittlere Reife. „Wer weiß schon, was er dort alles benötigen wird. Und was ich brauche, weiß ich ja auch noch nicht.“ Das alles zusammen sei einfach zu teuer und zu unberechenbar.

Auch für Patchwork-Familien stellt der Schulanfang eine Zusatzbelastung dar. Maja Buchenwald (Name geändert) ist Mutter von zwei Kindern, ihr Ehemann hat ebenfalls zwei Kinder in die Ehe gebracht. Zwei der vier Kinder leben in dem gemeinsamen Haushalt, drei der vier gehen zur Schule. „Mein Mann arbeitet Vollzeit, aber ist hoch verschuldet durch Unterhaltszahlungen und nicht gezahlte Kredite seiner Ex-Frau, bei denen er mithaften musste“, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau.

Nicht alle Länder haben Schulbuchbefreiung

Der 40-Stunden-Job ihres Mannes reiche kaum aus, um die Familie zu ernähren. Die 47-Jährige kann nicht arbeiten aufgrund einer Erkrankung. „Mir geht es gesundheitlich sehr schlecht. Ich beziehe eine Erwerbsminderungsrente von nicht einmal 800 Euro im Monat.“ Zudem gebe es in Niedersachsen keine Schulbuchbefreiung.

Das bedeutet, die Familie muss für sämtliche Materialien und Bücher selbst aufkommen. „Weil mein Mann angeblich ein zu hohes Bruttogehalt bezieht, erhalten wir keine zusätzlichen Gelder. Uns bleiben zum Leben nach Abzug der monatlichen Kosten etwa 600 Euro“, sagt sie.

Stefanie Unbehauen