Stuttgart (epd). Die Zahlen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg sprechen eine eindeutige Sprache: Im „Jahrhundertsommer“ 2003 gab es nahezu 2.700 hitzebedingte Sterbefälle im Südwesten. Im sehr heißen August 2018 gab es 1.500 „Hitzetote“ und 2019 den statistischen Daten zufolge knapp 1.700. Inzwischen gibt der Deutsche Wetterdienst schon entsprechende Warnungen für Pflegeheime heraus. Die Evangelische Heimstiftung mit ihrem Hauptsitz in Stuttgart hat daher für ihre Einrichtungen ein Klimakonzept entwickelt.
„Wir haben das Thema 'Hitzewellen' beziehungsweise 'Temperaturentwicklungen' in einen größeren Zusammenhang eingebettet“, erklärt Alexandra Heizereder, Pressesprecherin der Heimstiftung. Im Blick seien die Bewohner, die Mitarbeitenden und die Gebäudesubstanz. Neben Hitze bereitet sich die Heimstiftung auch auf andere sogenannte Extremwetterereignisse vor.
Besonders kritisch seien extrem heiße Tage, mit Tageshöchsttemperaturen bei 35 Grad und schwüler Hitze in der Nacht. „Wir reagieren hier strategisch auf zwei Ebenen: Zum einen durch die Erarbeitung einer langfristigen, spezifischen Strategie zur Gebäudeentwicklung. Zum anderen durch niedrigschwellige und einfache Maßnahmen mitsamt Sensibilisierung aller Betroffenen und Qualifizierung der Mitarbeitenden“, sagt Heizereder.
Konkret bedeutet das unter anderem, dass an heißen Tagen frühmorgens gelüftet und früh abgedunkelt wird. Es werde noch mehr als ohnehin schon darauf geachtet, dass alle - Bewohner und Mitarbeitende - genug trinken. Die Mahlzeiten werden angepasst, und es gibt mehr Obst zwischendurch. Die älteren und beeinträchtigten Menschen in den Einrichtungen der Heimstiftung sollen ein Bewusstsein für die Klimawandel-Folgen vermittelt bekommen. Informierte Heimbewohner sind sensibler dafür, dass beispielsweise mehr Wasser getrunken werden soll und Lebensmittel bei Hitze umsichtiger gelagert werden müssen.
Aktuell werden sechs Modellhäuser speziell im Bereich Hitzeschutz qualifiziert, berichtet Heizereder. Klimaangepasste Gebäude können die Innenraumtemperatur konstanter halten. Das bedeutet mehr Komfort und weniger Gesundheitsrisiken. Doch: „Das muss natürlich finanziert werden und bei älteren Gebäuden ist es oft baulich nicht möglich, wir suchen aber nach geeigneten Wegen, es umzusetzen.“ Konkret geht es um Schattenspender, den Einbau von Lüftungsanlagen oder die Umrüstung von Ölheizungen auf Wärmepumpen. Der Altenhilfeanbieter wünscht sich, dass die Politik „mit gezielter Förderung“ dazu beiträgt, „sowohl akute klimatische Belastungen in den Pflegeeinrichtungen abzumildern als auch eine umfassende Vorbereitung auf zukünftige klimatische Veränderungen zu ermöglichen“.
Für Menschen mit angeschlagener Gesundheit kann Hitze ins Krankenhaus führen - durch Hitzschlag, Hitzeerschöpfung und Austrocknung. Vorbeugen ist besonders bei älteren Menschen schwierig, unter anderem weil das Durstgefühl im Alter abnimmt und der Körper zugleich weniger Wasser speichert. Pflegeexperten raten, Lieblingsgetränke der Senioren vorzubereiten und die in Reichweite zu platzieren. Nur Zureden helfe oft nichts: „In Gesellschaft klappt es mit dem Trinken oft besser, als wenn die Bewohner allein auf ihrem Zimmer sitzen.“ Auch kühlende Arm- und Fußbäder tun gut, ebenso wie helle und luftige Kleidung. Auch mobile Klimaanlagen sind nützlich, besonders dann, wenn sie leicht zu bedienen sind.
Das baden-württembergische Sozialministerium hat nach dem „Jahrhundertsommer“ 2003 die Aufklärung verstärkt. Praxistipps gibt es im Faltblatt „Gesundheitsrisiken bei Sommerhitze für ältere und pflegebedürftige Menschen“. Und die 2009 in Kraft gesetzte Landesheimbauverordnung fordert Heimkonzepte, mit denen „jederzeit ein den Bewohnerbedürfnissen entsprechendes Raumklima gewährleistet werden soll“.