sozial-Politik

Armut

Alleinerziehende in Existenznot




Alleinerziehende Mutter mit ihrem Kind
epd-bild/Maike Gloeckner
Alleinerziehende leben auffällig oft in Armut. Fehlende Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind erschweren es ihnen zusätzlich, ihre finanzielle Situation durch eine Erwerbstätigkeit zu verbessern. Betroffen sind meist Frauen.

Münster (epd). Für Nadine Weber sind es besonders die Wochenenden, an denen sie merkt, wie knapp das Geld ist. Denn gerade dann will ihre fünfjährige Tochter etwas unternehmen oder sieht etwas, das sie gerne haben möchte. „Die Pommes im Freibad, eine Runde Trampolinspringen oder eine zusätzliche Süßigkeit sind oft einfach nicht drin“, sagt Weber.

Flucht ins Frauenhaus

In den letzten Monaten sei ihre finanzielle Lage durch die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise existenzbedrohend geworden. Die 41-Jährige macht derzeit eine Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement. Gehalt bekommt sie dafür nicht, sie lebt von Hartz IV.

Seit mehr als vier Jahren ist Weber alleinerziehend. Als der andauernde Streit mit ihrem Partner und dem Vater des Mädchens in Gewalt ausartete, floh sie ins Frauenhaus. Ihre Tochter war zum damaligen Zeitpunkt ein Jahr alt. Ihren Beruf in der Gastronomie konnte sie aufgrund der späten Arbeitszeiten nicht mehr ausüben und begann daher die auf eineinhalb Jahre verkürzte Umschulung, die sie voraussichtlich im Mai 2023 abschließen wird.

„Ich hoffe, dass mein Gehalt für uns beide reichen wird, sobald ich ausgelernt habe“, sagt die alleinerziehende Mutter. Bis dorthin sind Ausgaben für Freizeitparks oder Urlaubsreisen kaum möglich. „Die Kleine war noch nie am Meer“, sagt Weber.

Das höchste Armutsrisiko aller Familienformen

In Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt mehr als zwei Millionen Frauen und fast eine halbe Million Männer alleinerziehend. Viele wollen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Doch das ist nicht immer möglich. Laut Bundesfamilienministerium waren im Jahr 2018 lediglich zwei Drittel der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern erwerbstätig.

Daniela Jaspers, Bundesvorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Alleinerziehende haben mit 43 Prozent das höchste Armutsrisiko aller Familienformen. Sie sind oft arm trotz Arbeit: Jede sechste Alleinerziehende muss mit Hartz IV aufstocken.“ Für die Armut seien strukturelle Gründe und nicht persönliches Versagen die Ursache.

Geeignete Maßnahmen, um die Situation Alleinerziehender zu verbessern, sind nach Jaspers' Meinung eine gut ausgestaltete Kindergrundsicherung, reguläre Beschäftigung statt Minijobs und bessere Betreuungsmöglichkeiten für Kinder als Voraussetzung für Erwerbstätigkeit, „auch in typischen Frauenberufen mit untypischen Arbeitszeiten“.

„Babysitter kann ich mir nicht leisten“

Mit der Arbeit in der Gastronomie war Weber zufrieden. „Ich würde gerne wieder ab und zu kellnern. Aber mir fehlt der familiäre Hintergrund. Meine Mutter lebt nicht mehr, und einen Babysitter kann ich mir nicht leisten“, sagt sie.

Ohne Job hat sich ihre finanzielle Lage zugespitzt. „Früher habe ich meiner Tochter, wenn ihre Hose kaputt war, einfach eine neue gekauft“, erinnert sie sich. Heute schaue sie, ob sie die Hose nicht doch noch einmal flicken oder eine gebrauchte kaufen könne.

In der Kita ihrer Tochter müsse sie für das Mittagessen nichts bezahlen. Die Kita macht nun wieder Ausflüge. Das bereitet Weber Sorgen. „Bis jetzt musste ich zum Glück noch keine Anträge beim Amt einreichen, da es sich lediglich um Tagesausflüge handelte“, sagt sie. Wie das jedoch aussehen wird, sobald ihre Tochter zur Schule geht, weiß sie noch nicht.

Im Alter droht eine niedrige Rente

Besonders das Alter mache ihr Angst. „Ich bin zweieinhalb Jahre beruflich ausgefallen, da ich meine Mutter und meine schwerbehinderte Schwester gepflegt habe. Mit der Elternzeit, die ich mir für meine Tochter genommen habe, sind es insgesamt acht Jahre, in denen ich nicht Vollzeit arbeiten konnte“, sagt sie. Ihr droht daher eine niedrige Rente.

Alleinerziehende Väter und Mütter werden nach Webers Ansicht nicht genug von der Politik unterstützt. „Ich wünsche mir ein kompaktes Angebot in Rathäusern und Ämtern mit Informationen, an welche Stelle Bedürftige in einer akuten Notsituation sich wenden können“, fordert sie.

Stefanie Unbehauen