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Gesundheit

Ärzte haben kaum Zeit für Pflegeheimbewohner




Blutdruckmessung im Pflegeheim
epd-bild/Jürgen Blume
In Deutschland fehlt es an Hausärzten. Den Mangel bekommen vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen zu spüren. Denn viele Allgemeinärzte haben einfach keine Zeit, zu ihnen in die Pflegeeinrichtung zu kommen und sie zu untersuchen.

Frankfurt a.M. (epd). Stefan Holst (Name geändert) macht sich große Sorgen um seine Mutter. Sie ist 92 Jahre alt und hat Diabetes. Sie hat Wassereinlagerungen und kann nur noch sehr schlecht gehen. Bis vor vier Monaten schaute die Hausärztin regelmäßig nach der alten Dame, die in einem Pflegeheim in einem kleinen Ort im baden-württembergischen Enzkreis lebt. Anfang März schloss jedoch die Praxis. Seitdem sucht Stefan Holst einen Arzt, der zu seiner Mutter ins Pflegeheim kommt: „Ich habe bisher etwa zwölf Ärzte angerufen, aber keiner ist bereit, Heimbesuche zu machen“, klagt er.

Dramatische Konsequenzen

Tatsächlich herrscht seit Jahren ein eklatanter Ärztemangel in Deutschland. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) fehlen bundesweit 2.100 Hausärzte. Das hat gerade für Heimbewohnerinnen und -bewohner dramatische Konsequenzen. Die ärztliche Versorgung im Heim verschlechtert sich.

Die bisherige Hausärztin von Holsts Mutter sah meist zweimal in der Woche nach der 92-jährigen Dame. Seit März wurde die Seniorin nicht mehr untersucht. Zwei Ärzte gibt es noch im Ort. Sie müssen sich um mehr als 5.200 Einwohner kümmern und haben entsprechend viel um die Ohren. Hausbesuche, wurde dem Rentner gesagt, kommen überhaupt nicht mehr infrage.

Das bringt nicht nur seine Mutter in die Bredouille. Holst kümmert sich auch um seine 90-jährige Schwiegermutter. Sie lebt noch daheim, ist aber nicht mehr mobil und daher auf einen Arzt angewiesen, der Hausbesuche macht. Weil es den nicht gibt, bleibt auch die Schwiegermutter im Moment unversorgt.

Versorgung gefährdet

Glücklich, wer im Heim wohnt und einen Hausarzt hat, der, wenn es nötig ist, alle acht Tage vorbeischaut. Viele haben dieses Glück nicht mehr, bestätigt Ellen Benölken, Vorsitzende des Sozialverbands VdK im hessischen Kreis Friedberg. Immer wieder hört sie, dass Hausärzte es ablehnen, in ein Pflegeheim zu gehen: „Dann geht die Suche nach einem Arzt los, der das macht. Das ist inzwischen wirklich eine verteufelte Geschichte.“ Auch in Hessen nehmen mittlerweile viele Hausärzte keine neuen Patienten mehr an.

„Dass Angehörige größte Probleme haben, einen Hausarzt für pflegebedürftige Menschen zu finden, wird auch uns immer wieder geschildert“, sagt Simon Eggert vom Berliner Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Dadurch werde die gesundheitliche und pflegerische Versorgung gefährdet. Noch sei dem ZQP nicht bekannt, welche Dimensionen das Problem hat: „Die Frage nach dem Zugang zu hausärztlicher Versorgung ist jedoch Bestandteil einer Studie, die gerade vorbereitet wird.“ Ergebnisse seien im nächsten Jahr zu erwarten.

Von Region zu Region ist die Situation unterschiedlich. „In unserem Haus machen zwei Hausärzte regelmäßig Visite, und sie bemühen sich auch, im Notfall sofort zu kommen“, berichtet Nathalie Kuhaupt, Pflegedienstleiterin im Evangelischen Pflegeheim „Haus Phöbe“ im nordrhein-westfälischen Warburg. Auch Kuhaupt ist bekannt, dass es in der Region Ärzte gibt, die keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Die Bewohner von „Haus Phöbe“ seien davon jedoch nicht betroffen.

Zeit für Patientengespräche

„Insgesamt ist die Versorgung von Heimbewohnern meines Erachtens schlechter als für Pflegebedürftige, die zu Hause leben“, schätzt Andrej Zeyfang, Altersmediziner an der Medius Klinik Ostfildern-Ruik. Möglicherweise könne durch den Einsatz von Telemedizin eine Verbesserung erreicht werden. Der Chefarzt plädiert zudem für eine bessere Qualifikation der Pflegekräfte, vor allem mit Blick auf Pflegebedürftige, die an Diabetes leiden.

Christian Pfeiffer, Vorstandsmitglied des Bayerischen Hausärzteverbandes, bestätigt, dass gerade ländliche Pflegeheime oft unterversorgt sind: „Teilweise haben auch städtische Pflegeheime Probleme, die Versorgung sicherzustellen, doch auf dem Land ist die Not größer.“ Heimbesuche, sagt er, seien oft aufwendig. Ein 80-Jähriger, der in einem Pflegeheim lebt, sei sehr wahrscheinlich mehrfach erkrankt. Um diesem Patienten gerecht zu werden, sei es wichtig, sich viel Zeit zu nehmen - vor allem für Gespräche.

Grundsätzlich sei die Vergütung von Hausbesuchen in Höhe von 24 Euro „viel zu gering“, sagt der Allgemeinmediziner aus dem fränkischen Giebelstadt. „Das prangern wir seit Jahren an.“ Die Besuche im Pflegeheim würden nur für den ersten Patienten mit 24 Euro vergütet: „Jeder weitere Patient, der angeschaut wird, wird als Mitbesuch mit 12 Euro vergütet.“

Pat Christ