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Gesundheit

Ukrainische Ärztin bringt geflüchtete Landsleute in Medizinberufe




Oksana Ulan in Ihrer Praxis
epd-bild/Philipp Reiss
Eine aus der Ukraine stammende Ärztin, die schon lange in Deutschland lebt, will mit einem Netzwerk möglichst viele Landsleute in Medizinberufe bringen. Funktionieren soll das über einen Zwischenschritt.

Henstedt-Ulzburg, Nürnberg (epd). Wie es genau angefangen hat, kann Oksana Ulan gar nicht mehr sagen - mit der Zeit hat es sich einfach verselbstständigt. Als der Krieg in der Ukraine begann, fing sie an, Spenden zu sammeln, und ließ sie in ihr Heimatland transportieren, einfach weil sie etwas tun musste. Mit der Zeit kam sie mit immer mehr ihrer Landsleute ins Gespräch, die geflüchtet waren und in Deutschland vor dem Nichts standen. „Darunter waren so viele Menschen aus medizinischen Berufen. Ich habe überlegt, wie ich ihnen helfen kann“, sagt Oksana Ulan, die seit 2010 eine Praxis als Allgemeinmedizinerin im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg betreibt.

Gewaltige Herausforderung

Was als improvisierte Liste begann, ist heute ein Online-Formular auf der Homepage des Landkreises - und ein Versuch, den Zustrom von Geflüchteten und den komplizierten deutschen Arbeitsmarkt auf einen Nenner zu bringen: Oxana Ulan sammelt in ihrem Netzwerk die Daten von Geflüchteten mit medizinischen Berufen sowie die Daten von Arztpraxen in ganz Deutschland. Ihr Ziel ist es, aus den Geflüchteten wieder Ärzte, Physiotherapeuten, Pflegerinnen zu machen. „Es ist wichtig, dass sich die Menschen nicht mehr einfach als Geflüchtete fühlen“, sagt sie.

Die Herausforderung, Menschen aus der Ukraine in Arbeit zu bekommen, ist gewaltig. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) wurden bisher rund 900.000 Neuankömmlinge registriert. „Wir gehen davon aus, dass ein sehr hoher Anteil der Geflüchteten eine akademische Ausbildung hat“, sagt der Arbeitsmarktforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Und dieser Vorteil sei zugleich ein Problem: „Man kann in Deutschland nicht als Arzt oder Ärztin tätig werden, ohne eine berufliche Anerkennung zu haben. Man braucht dafür auch deutsche Sprachkenntnisse auf einem hohen Niveau.“

Weil es dieses Problem gibt, geht Oksana Ulan mit ihrem Netzwerk einen Umweg: Was sie vermittelt, sind keine Stellen für Ärztinnen und Ärzte, sondern beispielsweise solche als Sprachmittler: Geflüchtete aus der Ukraine, die gewisse Deutschkenntnisse haben, können in Praxen helfen, in denen viele ihrer Landsleute behandelt werden. Und das funktioniere, wenn auch langsam: Von den rund 90 Menschen im Netzwerk ist das erste halbe Dutzend Oksana Ulan zufolge vermittelt. Sie hofft, das sich noch viele weitere Interessierte unter der Emaildresse o.ulan@hilfe-ua.de melden.

Approbation in Deutschland

Unterstützt wird das Projekt von der Ärztekammer Schleswig-Holstein. „Als Ärztekammer haben wir ein starkes Interesse daran, dass sich gut ausgebildetes medizinisches Fachpersonal bis zur Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit mit dem komplexen deutschen Gesundheitswesen vertraut macht“, sagt Sprecher Stefan Görmann. Deswegen sei das Projekt sinnvoll - auch wenn die Arbeit als Sprachmittler die Approbation in Deutschland nicht ersetzen könne.

Auch Arbeitsmarktforscher Brücker plädiert dafür, Menschen aus der Ukraine vermehrt als Sprachmittler einzusetzen, damit diese leichter in den Beruf kommen: „Die könnten dann später auch andere Tätigkeiten ausüben.“

Oksana Ulan hofft, dass ihre Netzwerkarbeit Früchte trägt. Und es ist ja nicht so, dass dabei nur die Menschen aus der Ukraine lernen und die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland nicht. Die Medizinerin in Henstedt-Ulzburg sieht regelmäßig, wie viel Potenzial in den Fachleuten steckt. Sie seien modernes Arbeiten gewöhnt. „Ein Kommentar, den ich zurzeit ziemlich häufig höre, lautet: ‚Was, Sie haben noch kein E-Rezept?‘“, sagt Oksana Ulan.

Sebastian Stoll