sozial-Politik

Missbrauch

Sozialpädagogin: Gesamtes Umfeld verantwortlich für Schutz der Kinder



Erding (epd). Hinschauen, ansprechen, handeln: Im Kampf gegen häusliche Gewalt an Kindern wirbt die Erdinger Diplom-Sozialpädagogin Angelika Felixberger für ein größeres Interesse des gesamten Umfelds am Verhalten von Kindern und Jugendlichen. „Um ein Kind herum sind viele Erwachsene, die hinschauen können“, sagte die 59-jährige Beraterin, die viele Jahre im Bereich der Jugendhilfe und Schulsozialarbeit tätig, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Zahlen von Gewalt gegen Kinder waren nach Angaben der Polizeistatistik des Bundeskriminalamts (BKA) bereits 2020 deutlich gestiegen, im Bereich der Kinderpornografie sogar um 52 Prozent. Für das Jahr 2021 weist die Statistik laut BKA insgesamt einen erneuten Anstieg aus: Demnach wurden 4.465 Fälle von Misshandlung Schutzbefohlener registriert (minus 1,7 Prozent im Vergleich zu 2020), 17.704 Fälle von Kindsmissbrauch (plus 4,6) und 39.171 Fälle von Kinderpornografie (plus 108,8). „Aber das sind nur die Zahlen im Hellfeld“, betonte Felixberger.

Sensibilität für das Thema ist enorm gestiegen

Grundsätzlich sei die Sensibilität für das Thema Gewalt an Kindern in den letzten Jahren enorm gestiegen. Die meisten Menschen seien aber unsicher, wie sie bei Verdachtsmomenten reagieren sollten und blieben deshalb lieber untätig. „Dabei ist der erste Schritt immer, das Kind selbst zu fragen: Was ist los mit dir? Magst du mir etwas erzählen?“, sagte die Coachin, die mittlerweile pädagogische Fachkräfte und Ehrenamtliche schult.

Man dürfe nicht erwarten, dass sich ein Kind oder ein Jugendlicher sofort offenbare. „Aber es registriert: Jemand hat mich gesehen - das ist der erste Schritt, um Vertrauen zu fassen und sich gegebenenfalls zu öffnen“, erklärte Felixberger. Wer dem Kind nicht nahe genug stehe, könne jemanden aus dem direkten Umfeld ansprechen oder sich mit seinen Beobachtungen an Beratungsstellen wenden.

Verhaltensänderungen weisen auf Gewalterfahrungen hin

Typische Hinweise auf Gewalterfahrungen sind laut Felixberger Verhaltensveränderungen - entweder ein Rückzug nach innen oder vermehrte Aggression nach außen. „Häusliche Gewalt muss nicht, aber kann ein Grund dafür sein“, sagte die Beraterin. Zu den handfesten Indizien wiederum gehörten blaue Flecken, übermäßige Ängstlichkeit, Zusammenzucken, wenn jemand die Hand hebe. Bei Jugendlichen könnten exzessiver Medienkonsum oder Essstörungen durch Familienkrisen bedingt sein.

Bei handfesten Indizien für Gewalt sei ein Anruf beim Jugendamt angebracht. „Das Jugendamt ist nicht mehr die Eingriffsbehörde, die ein Kind sofort aus der Familie holt“, betonte Felixberger. Vielmehr könne es betroffenen Familien Beratung, sozialpädagogische Familienhilfe und Erziehungshilfe anbieten. Ihr sei bewusst, dass viele Menschen vor so einem Anruf zurückschreckten. Bei Kindern handele es sich aber um die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. „Es ist die Verantwortung aller, Wahrnehmungen von Gewalt ernst zu nehmen und ihren Eindruck gut überlegt an zuständiger Stelle zu platzieren“, betonte Felixberger.

Susanne Schröder