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Kinder

Kitas arbeiten an Schutzkonzepten gegen Missbrauch



Eine evangelische Kita in Kaiserslautern will möglichem sexuellen Missbrauch von Kindern in ihrer Einrichtung mit einem eigenen Schutzkonzept vorbeugen. Dabei holen sich die Erzieherinnen den Rat bei landeskirchlichen Expertinnen und Experten.

Kaiserslautern (epd). Bis zu eine Million Kinder und Jugendliche mussten in Deutschland nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren oder erfahren sie noch. „Bei 160 Kindern mache ich mir schon Gedanken, wer möglicherweise betroffen sein könnte“, sagt Astrid Bernhart, Leiterin der protestantischen Kindertagesstätte Auf dem Seß in Kaiserslautern. Um auf mögliche Täter im Umfeld der Kinder aufmerksam zu werden und es diesen in der Einrichtung möglichst schwer zu machen, erarbeitet das Team momentan ein Schutzkonzept für die Kita.

Täterverhalten im Blick

Solche Konzepte sind Teil des Gesetzes zum Schutz vor sexueller Gewalt, das die Synode der evangelischen Landeskirche der Pfalz 2019 beschlossen hat. 20 Multiplikatoren wurden dazu geschult: Sie sollen Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft, aber auch Kirchengemeinden fit machen.

Das Thema sexueller Missbrauch sei nicht neu, weiß Bernhart, die seit 40 Jahren im Job ist. „Wir hatten auch schon in den 1980er und 1990er Jahren Fälle, als Eltern - allerdings fälschlicherweise - verdächtigt wurden.“ Vorgeschrieben sei durch den Träger ohnehin ein allgemeines Schutzkonzept. Neu sei jetzt, dass sich das Team explizit mit sexualisierter Gewalt auseinandersetze, das Ganze verschriftlich werde, „und dass Täterverhalten in den Blick genommen wird“, sagt Bernhart.

Dazu gehöre, Tätern keine Räume oder Gelegenheiten zu geben, weil es uneinsichtige Ecken in der Kita gebe oder eine Erzieherin oder ein Erzieher ohne Kolleginnen oder Kollegen in den Räumen sind. So könne auch Missverständnissen vorgebeugt werden. „Wir haben auch männliche Erzieher im Team, sie lassen die Tür offen, wenn sie wickeln“, sagt Bernhart. „In jeder Gruppe sind immer zwei Personen.“ Bernhart schlägt zudem ein weiteres Modul für künftige Schulungen vor: Sexualisierte Gewalt unter Kindern, die manchmal auch mit Missbrauch zusammenhänge.

„Keine leichte Kost“

„Ich habe das Gefühl, die Kindertagesstätten sind schon gut auf dem Weg“, sagt Renate Walch, die als Multiplikatorin in einem Zweierteam die Kindertagesstätte in Kaiserslautern drei Tage lang geschult hat. Auch der Aufbau eines Interventionsteams im Kindergarten für Verdachtsfälle gebe dem Team Sicherheit.

Vieles von dem, was sie lerne und den Einrichtungen vermittle, sei „keine leichte Kost“, sagt Walch, die Referentin für Gemeinwesendiakonie im Dekanat Germersheim ist. „Es braucht schon ein Stück Mut, sich dem zu stellen.“

Dabei stand Walch anfangs dem Thema eher skeptisch gegenüber. Sie habe das Gefühl gehabt, es sei von der Synode nur wegen des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche in den Blick genommen worden. Die Zahlen zum Missbrauch, ihr Eintauchen in das Thema habe sie dann eines Besseren gelehrt. „Es hat nichts damit zu tun, ob es die katholische oder evangelische Kirche ist: Das Vertrauen bricht weg.“

Für die Kindertagesstätte Auf dem Seß geht es jetzt darum, das Konzept umzusetzen. „Meine Angst ist, dass das im Alltag hinten runter fällt, weil man oft nur noch funktioniert“, sagt Bernhart mit Blick auf den eklatanten Personalmangel - nicht nur in ihrer Einrichtung. Dazu komme der Frust, „weil es auch schon Fälle gegeben hat, wo das Jugendamt letztlich nicht eingegriffen hat“, sagt die Leiterin.

Florian Riesterer