Hildesheim (epd). Die Jugendforscherin Severine Thomas von der Universität Hildesheim sieht junge Menschen durch die Pandemie weiterhin belastet. Es sei eine Fehlannahme, dass Jugendliche durch wegfallende Corona-Restriktionen nahtlos an ihr Leben vor der Corona-Krise anknüpfen können, sagte Thomas dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Verunsicherung und Sorgen verfliegen nicht einfach so, das muss als einschneidende Lebenserfahrung verheilen.“
Wichtig sei es, die Kinder- und Jugendhilfe zu stärken, erklärte die Forscherin der Universität Hildesheim. „Für die Bundeswehr ist plötzlich Geld da, warum nicht auch für Kinder und Jugendliche?“
Thomas gehört dem Forschungsverbund „Kindheit - Jugend - Familie in der Corona-Zeit“ der Universität Hildesheim und der Goethe-Universität Frankfurt am Main an. Die Forschenden haben sich von April 2020 bis Ende 2021 in drei bundesweiten Studien mit der Frage beschäftigt, wie Jugendliche die Corona-Krise erleben. Ergebnis: Zukunftssorgen, soziale Ängste und psychische Beeinträchtigungen haben zugenommen. Mehr als jeder oder jede fünfte Befragte gab an, professionelle Hilfe zu benötigen.
Schwierig ist die Situation nach Angaben von Thomas besonders für Mädchen und Jungen, die sich am Anfang der Pubertät befinden. Sie würden von Pädagogen oft als antriebsarm, lethargisch, unmotiviert erlebt. „Aus dem Corona-Modus herauszukommen, sich wieder in Präsenz zu treffen, ungezwungen aufeinander zuzugehen, das muss sich mancher erst wieder aneignen“, sagte Thomas.
Einrichtungen wie Jugendzentren, Sport oder Freizeiten müssten gefördert werden: „Wir müssen alles tun, dass junge Menschen zurück ins soziale Miteinander kommen“, sagte Thomas. Nur so könne erkannt werden, wenn sie Beratung benötigen. Die Gesellschaft spreche in Bezug auf die junge Generation und Corona meist über Schule und Bildung. „Das ist wichtig, aber nicht alles im Leben junger Leute.“
Thomas appellierte im Hinblick auf den Umgang mit der Pandemie bei steigenden Inzidenzen und Virusvarianten in der kalten Jahreszeit, Jugendliche stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden. „Die Jugend hat die Pandemie bisher geduldig und solidarisch gemeistert, hatte aber kaum Mitspracherecht.“
Die fehlende gesellschaftliche Beteiligung junger Menschen sei ein grundsätzliches Problem. „Kinder werden nicht als unabhängige, vollwertige Akteure gesehen“, kritisierte Thomas. Dabei könnten sie viel beitragen. „Sie sind schließlich Experten ihrer eigenen Lebensrealität.“