sozial-Branche

Jugendsozialarbeit

"Da waren schon mal Chaoten dabei"




David Lang
epd-bild/Jutta Olschewski
Junge Geflüchtete, junge Schulabbrecher, Jugendliche, die gemobbt werden: Sie gehören zu jenen jungen Leuten, die nicht die gleichen Chancen wie andere haben. Die Evangelische Jugendsozialarbeit hat sie seit 75 Jahren im Blick.

München/Langenaltheim (epd). David Lang trägt Arbeitshose und ein rotes T-Shirt mit dem Aufdruck der Schreinerei, bei der er in Markt Berolzheim (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen in Mittelfranken) arbeitet. Jeden Morgen fährt der Schreiner zehn Minuten mit dem Fahrrad zur Arbeit, um Haustüren, Fenster oder Wintergärten herzustellen. Zehn Jahre macht er das bereits. Dass sein Berufsleben mal so aussehen würde - das war nach dem Schulabschluss vor mehr als 15 Jahren nicht zu erwarten.

Damals bekommt David Lang keine Lehrstelle. Er entschließt sich, zur Bundeswehr zu gehen, erzählt er. Beim Bund bleibt er, bis seine Oma ihn zur Hilfe im Schaustellerbetrieb braucht. Als aber Davids Freundin schwanger wird, will er dieses unstete Leben beenden. Dem damals 23-jährigen werdenden Vater vermittelt das Arbeitsamt einen Helferjob in der Jugendwerkstatt der evangelischen Jugendsozialarbeit (ejsa) in Langenaltheim. Sie ist eines der ältesten Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit in Bayern und zudem eines der wenigen auf dem flachen Land.

Zugang zur Gesellschaft eröffnen

Schnell beginnt er in der Werkstatt eine Lehre, berichtet Geschäftsführerin Anette Pappler. Denn Lang ist nicht einer der klassischen Kandidaten, die der Schreinermeister schon mal aus dem Bett klingelt, weil sie nicht pünktlich erscheinen. „Da waren schon Chaoten dabei, die Scheiße gebaut haben.“. Manche von ihnen seien von einem Tag auf den anderen nicht mehr erschienen.

„Bei der ejsa geht es immer um benachteiligte junge Menschen“, sagt Klaus Umbach, der Geschäftsführer der ejsa in Bayern. Sie sollen Zugang in die Gesellschaft bekommen und besser klarkommen mit ihren Problemen. „Eine Kirche, die Kinder tauft und Jugendliche konfirmiert, hat sich in besonderer Weise verpflichtet, Anwältin für die Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen in Kirche und Gesellschaft zu sein“, erläutert er seine Haltung.

In diesem Jahr wird die ejsa 75 Jahre alt. Zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann der damalige „Verein Aufbauwerk Junger Christen“ unter der Trägerschaft des Landesverbandes der Inneren Mission und des Landesjugendpfarramts mit der Hilfe für Straßenkinder, junge Flüchtlinge und Vertriebene, beschaffte Wohn- und Arbeitsplätze für die Heimatlosen.

Migrationsarbeit ergänzt das Portfolio

Anfang der 1960er Jahre begann sich die ejsa, wie sie sich dann nannte, in der politischen Bildung von Berufsschülern zu engagieren. Einige Jahre später kam die Migrationsarbeit hinzu, schließlich auch die offene Behindertenarbeit und das Arbeitsfeld Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Mit der ersten großen Arbeitslosigkeitswelle in den 1970er Jahren entwickelte die ejsa die berufsbezogene Jugendhilfe. 1975 wurde die erste Jugendwerkstatt in Augsburg gegründet.

Die schulbezogene Jugendsozialarbeit (JaS) ist eines der jüngeren Arbeitsfelder. Sandra Koch, die für diesen Bereich zuständig ist, erklärt es so: „Ein Angebot für Schülerinnen und Schüler, die schon vor acht Uhr morgens ein Problem haben“. Insbesondere in Stadtvierteln, in denen die Armutsquote hoch sei, würden die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter Kinder und Jugendliche unterstützen, die beispielsweise auffallen, weil sie dauernd schwänzen oder ständig wegen Bauchweh fehlen. Manche fühlen sich in der Klasse gemobbt, andere leiden unter den psychischen Krankheiten eines Elternteils. Neben der ejsa sind auch die Caritas oder die Arbeiterwohlfahrt Trägerinnen der JaS.

Förderung für 35.000 junge Menschen

35.000 junge Menschen sind in den vier verschiedenen Arbeitsbereichen der ejsa Bayern im vergangenen Jahr gefördert worden, schreibt der Verband in seiner Statistik. Außer den Arbeitsfeldern Beruf und Schule gibt es noch den Jugendmigrationsdienst und die gesellschaftspolitische Jugendbildung. In den verschiedenen Bereichen sind rund 1.300 Mitarbeitende beschäftigt - auch in Einrichtungen der Diakonie. Finanziert wird die ejsa neben kirchlichen Zuschüssen zum größten Teil aus staatlichen Mitteln.

Auch in Zeiten, in denen nicht mehr Lehrstellen, sondern Lehrlinge knapp sind, sieht die stellvertretende ejsa-Geschäftsführerin Barbara Klamt den Bedarf - unter anderem an der berufsbezogenen Arbeit. „Die jungen Menschen in den Jugendwerkstätten würden auf dem allgemeinen Ausbildungsmarkt keine Ausbildung absolvieren können“, sagt sie. Für sie gebe es unüberwindbare Barrieren, übergroße schulische Lücken oder sie sind psychisch belastet.

David Lang kam als „Spätzünder“ mit weniger Problemen in eine Jugendwerkstatt. Heute sagt der Schreiner rückblickend: „Eine bessere Ausbildung hätte ich nicht haben können.“

Jutta Olschewski