Berlin (epd). Eine sehr große Mehrheit der Deutschen wünscht sich einer Umfrage zufolge eine stärkere Berücksichtigung der Interessen von Kindern in der Politik. Das geht aus dem vom Deutschen Kinderhilfswerk am 3. Juni in Berlin vorgestellten Kinderreport 2022 hervor.
Demnach fordern 94 Prozent der Kinder und Jugendlichen sowie 84 Prozent der Erwachsenen die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Für eine entsprechende Grundgesetzänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich.
Zudem spricht sich eine große Mehrheit für Kinder- und Jugendbeauftragte in Bund, Ländern und Kommunen aus (Kinder und Jugendliche 94 Prozent/Erwachsene 80 Prozent). Auch sollten alle neuen gesetzlichen Maßnahmen auf ihre Kinder- und Jugendfreundlichkeit überprüft werden (85 Prozent/76 Prozent).
Befürwortet wird auch die Schaffung eines Ständigen Beirats für Kinder- und Jugendbeteiligung bei der Bundesregierung, in dem Kinder und Jugendliche vertreten sind (88 Prozent/66 Prozent). An den beiden repräsentativen Befragungen Anfang Januar 2022 beteiligten sich den Angaben zufolge 645 Kinder und Jugendliche (online) sowie 1.046 Erwachsene (telefonische Befragung).
Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, warf bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse der Politik mangelndes Interesse an Kindern und Jugendlichen vor. In der politischen Debatte gebe es „eine geradezu systematische Vernachlässigung der Belange junger Menschen“. Kinder und Jugendliche fühlten sich nicht repräsentiert, würden oftmals ignoriert oder deren Interessen nur nachrangig berücksichtigt. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, stehe die Gesellschaft vor einer Zerreißprobe, warnte Krüger im 50. Jahr des Bestehens des Kinderhilfswerkes.
Er plädierte dafür, Kinder- und Jugendpolitik als Investition in die Zukunft zu begreifen. Laut Kinderreport sind dabei 84 Prozent der Kinder und Jugendlichen und 78 Prozent der Erwachsenen der Meinung, dass das Geld für zusätzliche Staatsausgaben über eine zusätzliche Besteuerung sehr hoher Einkommen ausgeglichen werden sollte.
Rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen (67 Prozent) und etwa die Hälfte der Erwachsenen (52 Prozent) spricht sich für die Streichung von Staatsausgaben an anderer Stelle, wie Verteidigung, Straßenbau oder Wirtschaftsförderung aus. Lediglich neun Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen sowie 16 Prozent der Erwachsenen gaben an, dass die Politik in den vergangenen Jahren die Interessen von Kindern und Jugendlichen bei Entscheidungen stark berücksichtigt hat.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärte bei der Vorstellung des Kinderreports, die gesellschaftliche Teilhabe der jungen Generation müsse gestärkt werden. Dies beginne mit der Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz, wie in der Verfassung von Rheinland-Pfalz bereits seit 2000 festgeschrieben, und reiche bis zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Um die Kinderarmut zu bekämpfen, brauche es eine Kindergrundsicherung.