sozial-Recht

Oberlandesgericht

Kindeswohl entscheidend für Verbleib bei Pflegeeltern




Ehepaar, im Hintergrund ihr Pflegekind (Archivbild)
epd-bild/Angelika Osthues
Sollen Kinder aus Pflegefamilien zu den Herkunftseltern zurückkehren, muss ein psychologisches Gutachten klären, ob dadurch das Kindeswohl gefährdet wird. Das entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Frankfurt/Main (epd). Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen können vorübergehend oder auch dauerhaft bei Pflegeeltern ein neues Zuhause finden. Ein dabei gewonnenes stabiles Umfeld und insbesondere das Wohl der Kinder darf mit der Rückkehr zu den leiblichen Eltern aber nicht gefährdet werden, stellte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am 3. Mai veröffentlichten Urteil klar. Komme ein Kind wegen einer Kindeswohlgefährdung direkt nach der Geburt zu Pflegeeltern, muss für eine vom Jugendamt befürwortete Rückkehr zu den leiblichen Eltern in der Regel ein psychologisches Gutachten eingeholt werden.

Überforderung der leiblichen Eltern

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Kinder in Pflegefamilien nach Möglichkeit wieder zu ihren Herkunftseltern zurückkehren können. Voraussetzung hierfür ist, dass die Gründe für die Herausnahme aus dem ursprünglichen Haushalt, etwa die Überforderung der leiblichen Eltern, Verwahrlosung oder auch Gewaltrisiken nicht mehr bestehen.

Wird die Hilfe von Pflegeeltern vorübergehend oder dauerhaft in Anspruch genommen, sind sie für die Angelegenheiten des alltäglichen Lebens der Kinder verantwortlich. Die leiblichen Eltern behalten regelmäßig aber das Sorge- und Umgangsrecht. Wollen die leiblichen Eltern ihre Kinder wieder zurück oder wollen zumindest Einfluss auf Erziehung nehmen, kommt es immer wieder zum Streit.

So kam im aktuell vom OLG entschiedenen Fall ein 2020 geborenes Mädchen wenige Tage nach seiner Geburt wegen einer Kindeswohlgefährdung zu Pflegeeltern. Gleiches geschah zuvor mit ihrer älteren Schwester.

Als die Pflegeeltern der jüngsten Tochter den dauerhaften Verbleib des Kindes in ihrem Haushalt beantragten, wurde das vom Amtsgericht abgelehnt. Das für den Aufenthaltsort der Eltern zuständige Jugendamt hatte sich für die Rückführung des Kindes zu den Herkunftseltern eingesetzt. Dies solle vorbereitend mit „intensivierten Umgängen“ ermöglicht werden.

Bindungen zu Pflegepersonen

Das Jugendamt am Aufenthaltsort des Kindes sprach sich ebenso wie der Verfahrensbeistand des Kindes gegen eine Rückführung aus. Das Amtsgericht konnte hingegen keine Anhaltspunkte mehr für eine Kindeswohlgefährdung bei den Herkunftseltern erkennen. Der Antrag der Pflegeeltern wurde daher abgelehnt.

Das OLG kippte jedoch die Entscheidung. Sei ein Kind kurz nach der Geburt zu Pflegeeltern gekommen, müsse für die Rückkehr zu den Herkunftseltern regelmäßig ein psychologisches Gutachten zur Kindeswohlgefährdung eingeholt werden. Dabei müsse insbesondere in den Blick genommen werden, ob und wenn ja, in welchem Umfang das Kind Bindungen zu seinen Pflegepersonen und deren Umfeld aufgebaut habe und durch einen Abbruch der Bindung in seinem Wohl gefährdet würde.

Das Amtsgericht habe sich hier nicht allein auf die Einschätzung des Jugendamtes am Wohnort der Eltern stützen dürfen, zumal bei dem Mädchen besondere Risikofaktoren bestünden. So reagiere es sehr sensibel auf Stresssituationen.

Das Bundesverfassungsgericht machte in einem anderen Fall den Verbleib des Kindes ebenfalls vom Kindeswohl abhängig. Im entschiedenen Rechtsstreit wurde ein Pflegekind wieder aus der Pflegefamilie herausgenommen, da der Pflegevater eine siebenmonatige Bewährungsstrafe wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material verschwiegen hatte. Wollen die Pflegeeltern das Kind trotz bestehender Warnungen des Jugendamtes wieder zurück, dürfe ein Gericht die Bedenken der Behörde nicht beiseite wischen und müsse vielmehr eine Gefahrenprognose durchführen, entschieden die Karlsruher Richter in ihrem Beschluss vom 12. Februar 2021. Dies sei hier aber unterblieben und müsse nachgeholt werden.

Auskunftsanspruch des geschiedenen Vaters

Findet ein Kind bei Pflegeeltern ein neues Zuhause, kann nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 14. Dezember 2016 der geschiedene leibliche Elternteil vom Jugendamt Anspruch auf Auskunft über das Kind verlangen. Im Streitfall ging es um ein zehnjähriges Kind, das in einer Pflegefamilie lebt. Die leiblichen Eltern sind getrennt. Die Mutter steht unter Betreuung, so dass das Jugendamt die Fürsorge für das Kind übernahm.

Als der Vater wissen wollte, wie es seinem Kind geht, wie die schulischen Leistungen sind und ob er ein aktuelles Foto erhalten kann, lehnte das Jugendamt ab. Grundsätzlich ist, so der BGH, zunächst der andere Elternteil, hier die Mutter, die ebenfalls Umgang mit dem Kind pflegt, zur Auskunft verpflichtet. Scheide dies aus, könne auch das Jugendamt, es können nicht aber die Pflegeeltern Auskunft geben.

Ein Auskunftsanspruch bestehe zur schulischen Entwicklung, außerschulischen Betätigungen sowie zur gesundheitlichen und sozialen Entwicklung des Kindes. Detaillierte Informationen wie Erziehungsberichte, ärztliche Unterlagen oder zu den Vermögensverhältnissen des Kindes gehörten aber nicht dazu, so der BGH.

Das Jugendamt kann nach einer weiteren Entscheidung des OLG Hamm vom 29. März 2016 als Vormund eines Pflegekindes nicht die von den leiblichen Eltern bestimmte Religionszugehörigkeit des Kindes wieder ändern. Sei diese einmal festgelegt, bleibe diese gültig, auch wenn das Kind in einer Pflegefamilie aufwächst. Damit blieb es im Streitfall Pflegeeltern verwehrt, ein aufgenommenes muslimisches Kind taufen zu lassen, damit es am katholischen Schulunterricht teilnehmen und zum katholischen Glauben erzogen werden kann.

Az.: 6 UF 225/21 (Oberlandesgericht Frankfurt am Main)

Az.: 1 BvR 1780/20 (Bundesverfassungsgericht)

Az.: XII ZB 345/16 (Bundesgerichtshof)

Az.: 2 UF 223/15 (Oberlandesgericht Hamm)

Frank Leth