sozial-Politik

Frauen

Mit Kreide gegen sexistische Anmache und Belästigungen




Auf dem Wiesbadener Mauritiusplatz ziehen Tayla (re.) und Laura die Blicke der Passenten auf sich.
epd-bild/Steffen Edlinger
Tayla und Laura kreiden auf öffentlichen Plätzen an, wenn junge Frauen dort sexistisch angemacht wurden. "Die Menschen sollen spüren, wie das ist", sagt Laura, die die CatCalls-Bewegung in Wiesbaden gegründet hat.

Wiesbaden (epd). Auf dem Wiesbadener Mauritiusplatz ziehen Tayla und Laura die Blicke der Passanten auf sich. Mit bunten Malkreiden schreiben sie in großen Lettern eine Botschaft auf den Asphalt. „#stopptBelästigung - hier passiert: Er hielt mich am Arm fest: 'Hey Chaya, bleib doch mal stehen! Ich leck' dich, bis du kommst!'“

Tayla und Laura sind bei der Initiative „CatCalls of Wiesbaden“ aktiv, die sexistische Vorfälle gegenüber Frauen anprangern will. Der Begriff CatCalling komme vom Hinterherpfeifen mancher Männer, um Frauen auf sich aufmerksam zu machen. „Also ungefähr so, wie wir auch eine Katze rufen würden“, erklärt die 22-jährige Laura. „Es geht aber auch um sexuell anzügliches Hinterherrufen wie 'Geiler Arsch!' Das wollen wir in der Stadt sichtbar machen und ankreiden.“

Projekt kommt aus New York

Sie selbst hat die Wiesbadener Initiative im Mai 2020 gegründet. Ursprünglich kommt das Projekt aus New York. Die Grundidee: Betroffene von sexistischen Vorfällen können die Initiative per Instagram anschreiben und ihren Vorfall schildern. „Wir kreiden den Vorfall dann an dem Ort an, an dem er passiert ist“, erklärt Laura: „Die Menschen sollen spüren, wie das ist. Wir wollen mit unserem Aktivismus ganz klar sichtbar machen, was da passiert.“

Laura hat selbst eine CatCalling-Geschichte. Sie ist ihr um elf Uhr morgens am Mainzer Hauptbahnhof passiert. „Ich war gerade in meiner Ausbildung zur Erzieherin und wollte nur nach Hause fahren nach Wiesbaden. Plötzlich ist mir ein Mann hinterhergelaufen, der immer wieder 'Mein Engel, bleib' doch stehen' gerufen hat.“ Obwohl Laura mehrmals laut „Nein!“ gesagt hat, habe sie der Mann noch bis zum Zug verfolgt. „Mir war es dann wichtig, selbst aktiv zu werden.“

Zwei Anfragen Betroffener pro Woche

Mittlerweile bekommen Tayla und Laura in der Woche ungefähr zwei Anfragen geschickt - im Sommer deutlich mehr als im Winter. „Wir kreiden alles an, außer Vergewaltigungserfahrungen, weil wir nicht wollen, dass dadurch jemand an die eigene Missbrauchserfahrung erinnert wird“, sagt die 21-jährige Tayla. Sie sei zu CatCalls of Wiesbaden gekommen, weil sie selbst in der Nähe des Hauptbahnhofs belästigt worden sei. „Ich habe diesen CatCall dann auf Instagram eingereicht und direkt gefragt, ob ich nicht auch Teil des Teams werden kann.“

Die Reaktionen auf das Ankreiden seien sehr unterschiedlich, erzählen Laura und Tayla. Viele Menschen gingen kommentarlos vorbei und schauten nur, „aber es sind auch immer mal Passantinnen dabei, die einen Daumen nach oben zeigen und sich sogar bei uns bedanken“, sagt Laura. „Einmal hat mich auch die Polizei angesprochen und gefragt, was ich hier mache. Aber die fanden das dann eine coole Aktion.“

„Von der Schambehaftung loskommen“

Den beiden jungen Frauen ist es wichtig, das Thema offen anzusprechen. „Wenn wir CatCalling etwas entgegensetzen wollen, müssen wir auch von dieser Schambehaftung loskommen. Die Frauen sollen sich dafür nicht schämen. Wer sich zu schämen hat, das sind die CatCaller“, sagt Laura.

Besonders in Erinnerung geblieben ist Tayla ein Gespräch mit einer jungen Frau: „Sie hat mir erzählt, dass sie sich auch schon oft sexistische Sprüche anhören musste und sich damit immer alleine und sogar schuldig gefühlt hat. Ich denke, nach unserem Gespräch war sie da viel mutiger und selbstbewusster.“

Letztlich hoffen die beiden Aktivistinnen, dass das Thema noch mehr in der Mitte der Gesellschaft ankommt, dass sexistische Fälle nicht totgeschwiegen werden. „Ich arbeite gerade auch an der Schule und würde gerne zum Thema einen Workshop anbieten“, ergänzt Tayla: „Je früher über das Thema aufgeklärt wird, desto besser.“

Steffen Edlinger