sozial-Politik

Krieg in der Ukraine

"Round Table" im Kanzleramt für bessere Flüchtlingsintegration




Spieltisch in einer Notunterkunft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
epd-bild/Udo Gottschalk
Die Sozialverbände gehen davon aus, dass viele der Ukraine-Flüchtlinge noch länger in Deutschland bleiben werden. Bei der Integration gibt es viele Baustellen: Sprachkurse, Jobs, Kita- und Schulplätze. Ein Treffen im Kanzleramt sollte Klarheit schaffen.

Berlin (epd). Sozialverbände begrüßen die Initiative der Bundesregierung, mit Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft die Lage der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland zu verbessern. Dazu gab es am 25. April im Kanzleramt einen ersten „Round Table #Ukraine - gutes Ankommen vor Ort“. Ulrich Lilie, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sagte, „wir sehen uns in der Pflicht, die Versorgung und Integration der geflüchteten Menschen zu unterstützen“. Das aber sei nur gemeinsam mit den Akteuren auf allen politischen Ebenen möglich.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „engen Schulterschluss zwischen Bund, Ländern, Kommunen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Kirchen, Gewerkschaften und Helferinnen und Helfern überall in unserem Land“. Man habe binnen weniger Tage für eine unbürokratische Aufnahme in der gesamten EU gesorgt. Integrations- und Sprachkurse seien unmittelbar geöffnet worden, um ein schnelles und gutes Ankommen zu ermöglichen.

Breiter Austausch mit Kirchen und Zivilgesellschaft

Reem Alabali-Radovan (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu dem Treffen eingeladen hatte, sagte: „Viele Geflüchtete wollen so schnell wie möglich zurück in ihre Heimat, doch wann das möglich sein wird, ist ungewiss.“ Daher sollten alle die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Diesem Ziel diene der Round Table.

Im Mittelpunkt des Treffens stand nach ihren Angaben der Austausch mit ukrainischen und russischsprachigen Organisationen, Verbänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften. Dabei sei es um vier spezielle Handlungsfelder gegangen: die Aufnahme, Verteilung und Unterbringung der Menschen, den Umgang mit besonders hilfebedürftigen Personengruppen, den Arbeitsmarkt sowie die schulische Bildung der geflohenen Kinder und die Aufnahme von Studentinnen und Studenten an deutschen Unis.

Malteser vermissen gesteuerte Verteilung der Menschen

„Die Verteilung der Menschen auf die Landes- und kommunalen Unterkünfte funktioniert nicht“, beklagte der Präsident des Malteser Hilfsdienstes, Georg Khevenhüller. Es gebe derzeit kein Zuweisungssystem - weder vom Bund noch in den einzelnen Bundesländern. „Das führt zu einem starken Stadt-Land-Gefälle.“ Seinen Angaben nach reisen bisher zwei Drittel der Ukrainer, die in kommunalen Unterkünften in ländlichen Regionen ankommen, sofort weiter, weil sie in Städte wollen.

Gleichzeitig forderte Khevenmüller ein Zuweisungssystem und gesetzliche Grundlagen und Erlasse, mit bundesweit gleichen Standards und Leistungen. Die augenblickliche „Parksituation“ in großen Landeseinrichtungen sollte nicht zu einer ungeregelten Dauerunterkunft werden, ergänzte der Präsident: „Unsere Erfahrungen zeigen schon jetzt deutlich, genau wie 2015/2016, dass ein Ankommen sowie die Integration und Teilhabe in kleinen Unterkünften viel sozialverträglicher und besser gelingen als in großen Einrichtungen.“

Diakonie sieht Bund bei der Finanzierung der Hilfen gefordert

Diakonie-Präsident Lilie verwies auf den großen Einsatz etwa der Migrationsfachdienste. „Für diese Angebote muss der Bund die nötigen Mittel bereitstellen“, unterstrich Lilie. Damit die Integration gelingen könne, müssten die Integrationsmöglichkeiten vor Ort und eine gute Versorgungsstruktur die wichtigsten Kriterien für die Zuweisung der Wohnorte sein. Lilie sprach sich zudem dafür aus, den Geflüchteten zügig den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Auch sollten die Anerkennungsverfahren für mitgebrachte Qualifikationen deutlich vereinfacht werden.

Über die Hälfte der Schutzsuchenden seien in privaten Wohnungen aufgenommen worden, sagte Caritaspräsidentin Eva Welskop-Deffaa. Doch Gastgeber und Geflüchtete müssten jetzt dringend unterstützt werden, damit die Bereitschaft zur Unterbringung weiterbestehe. Um mögliche Konflikte zu vermeiden, brauche es vorherige Beratung, Unterstützung beim Matching und Begleitung während der Aufnahme der Menschen. Welskop-Deffaa: „Ein digitales Vermittlungsportal ist aus unserer Sicht allein nicht ausreichend. Ohne Unterstützung drohen Enttäuschung und Überforderung oder gar ein Abbruch der Aufnahme.“

Schutter: Kinder schnell einschulen

Sabina Schutter, Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf, verwies auf die Bedeutung der Bildung für die Integration. Die Kinder „sollten die Möglichkeit haben, so schnell es geht deutsche Schulen zu besuchen, aber auch am digitalen Unterricht ihrer Heimatschulen teilzunehmen“, sagte Schutter.

Vor allem die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder mit Kriegserfahrungen müssen berücksichtigt werden. Sie haben eigene, spezifische Bedarfe, etwa im Hinblick auf Bildungsangebote und Zukunftsperspektiven. Darüber hinaus gibt es Kinder, die besonders vulnerabel sind, zum Beispiel Kinder mit Beeinträchtigungen oder Kinder ohne elterliche Fürsorge. Da in ukrainischen stationären Einrichtungen zum Teil auch Kinder mit Beeinträchtigung leben, ist für diese Gruppen die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Eingliederungshilfe erforderlich, am besten vom Zeitpunkt der Evakuierung an - entsprechend sollten Evakuierungsbemühungen schon früh mit den Verteilstellen koordiniert werden.

Auch die schnelle Integration ukrainischer Erwachsener in den Arbeitsmarkt kann laut Schutter gut funktionieren - wenn es Unterstützungsangebote durch Sprachkurse, Beratungen und Kinderbetreuungsangebote für Alleinerziehende gibt und ihre Ausbildungen schnell anerkannt werden. „Viele Frauen sind mit Kindern gekommen und sind derzeit de facto alleinerziehend. Sie sind deshalb besonders darauf angewiesen, Unterstützung zu bekommen.“

Dirk Baas