sozial-Branche

Behinderung

"Lego-Oma" arbeitet jede freie Minute an der Barrierefreiheit




Rita Ebel werkelt in ihrer Küche an einer Rampe aus Legosteinen.
epd-bild/Christian Schmidt
Seit 2019 sammelt die Hanauer Rentnerin Rita Ebel gebrauchte Legosteine und baut daraus Einfahrhilfen für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen. Inzwischen haben sie und ihr Team 78 kleine Rampen gefertigt. Und ihr Beispiel macht Schule.

Hanau (epd). Rita Ebel verbaut am Tag wahrscheinlich mehr Legosteine als die gesamte Rasselbande einer Kita. Seit 2019 fertigt die Hanauerin in ihrer Küche aus dem bunten Steckspielzeug Einfahrhilfen für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen. Unterstützt wird sie dabei von Ehemann Wolfgang, Tochter Melanie, Enkelin Nora und fünf weiteren Helferinnen und Helfern. „Wir verwenden nur gebrauchte und gespendete Steine“, betont die „Lego-Oma“, wie sie liebevoll genannt wird. „Sie werden uns aus allen Regionen Deutschlands, aber auch aus Österreich und der Schweiz zugeschickt.“

1,8 Tonnen Spielsteine für 78 Rampen

Die 64-Jährige ist seit einem Unfall 1996 selbst auf den Rollstuhl angewiesen und weiß, wie viele Hindernisse bei einem Ladenbummel oder bei der Benutzung von Bussen und Bahnen auf gehbehinderte Menschen warten. Da ist es kein Wunder, dass die energiegeladene Frau mit dem Kurzhaarschnitt und der großen Brille selbst unermüdlich zum Verschwinden der Barrieren beiträgt.

Die Idee für den Rampenbau stamme von anderen Rollifahrern, erzählt die „Lego-Oma“. „Inzwischen ist sie auch in 50 anderen Städten in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz angekommen und wird teilweise schon umgesetzt.“ Rita selbst investiert neben ihrem Teilzeitjob im Sanitätshaus fast jede freie Minute für den Bau der bunten Rampen. Darüber hinaus fällt eine Menge Verwaltungsarbeit an. „Ich sitze allein rund zwei Stunden am Tag vor dem PC, um Anfragen etwa nach der Bauanleitung zu beantworten, die inzwischen in neun Sprachen erschienen ist.“

Die angelieferten Steine werden zunächst von Wolfgang Ebel nach Größen, Formen, und Farben sortiert. Dann schlägt die Stunde der Bau-Teams, meist arbeiten Rita und Enkelin Nora sowie Tochter Melanie und ihre Freundin zusammen. Auf Granulatplatten fügen sie Steinchen für Steinchen aneinander und fixieren sie mit einem Dichtkleber.

„Für eine einspurige Rampe mit zehn Zentimeter Höhe benötigen wir zehn bis zwölf Kilo Steine“, schätzt Rita Ebel. „Das kann zehn Stunden dauern, wenn Logos und Bilder gesetzt werden bis zu 50 Stunden.“ Bisher seien in ihrer Wohnung 78 Rampen entstanden. 1,8 Tonnen Spielsteine mussten dafür verbaut werden.

„Toller Hingucker“

Ihre ein- und zweispurigen Rampen liegen vor zahlreichen Läden, Cafés, Stadtbüros und Versicherungsagenturen in und um Hanau. Dort sind meist auch Lego-Sammelstellen angedockt. Die Inhaber sind meist Fans von Oma Rita. „Dasselbe gilt sicher auch für die Menschen, die mit Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwagen unterwegs sind“, wie Thorsten Schuster betont. Die Rampen machten bewusst, wie viele Hindernisse es im öffentlichen Raum gebe, und stachelten dazu an, sie zu beseitigen, sagt der Leiter einer Versicherungsagentur. „Außerdem sind sie ein toller Hingucker“.

Rita Ebel freut sich sehr darüber, dass das Rampenbau-Projekt so gut ankommt. „Die vielen positiven Rückmeldungen und das Lob der Menschen motivieren uns. Wir machen so lange weiter, bis keine Lego-Steine mehr gespendet werden.“ Angesichts der Tatsache, dass der Hersteller im dänischen Billund bisher rund 500 Milliarden Spielsteine verkauft hat, kann das noch sehr lange dauern.

Dieter Schneberger