Berlin (epd). Im vergangenen Jahr sind die Fallzahlen in den deutschen Krankenhäusern einer Studie zufolge ähnlich stark zurückgegangen wie im Jahr 2020, dem ersten Jahr der Corona-Pandemie. Bei Krankheiten mit körperlichen Symptomen gab es 2021 einen Rückgang von 14 Prozent gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019, wie das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) am 5. April in Berlin mitteilte. 2020 hatte das Minus bei den Patientenzahlen 13 Prozent betragen. Die Einbrüche bei den Behandlungen sind laut WldO-Geschäftsführer Jürgen Klauber teilweise bedenklich. Die AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann forderte effizientere Krankenhausstrukturen.
„Ein erster, ganz aktueller Blick auf die Omikron-Welle zeigt, dass sich die Fallzahl-Einbrüche auch in diesem Jahr fortsetzen. So waren im Januar und Februar 2022 gegenüber 2019 Rückgänge von 22 Prozent bei den somatischen und von 14 Prozent bei den psychiatrischen Fällen zu verzeichnen“, berichtete Geschäftsführer Klauber. Als Hauptgrund für die aktuellen Einbrüche nannte Klauber die hohen Corona-Infektionszahlen, die zu deutlichen Personalengpässen in den Krankenhäusern und in der Folge zur Absage von Behandlungen und Operationen führten.
Anlass zur Sorge gäben die Entwicklungen im Bereich der Notfallversorgung: Beim Herzinfarkt wurden 2021 neun Prozent weniger stationäre Behandlungen registriert als 2019 - nach minus sieben Prozent im Jahr 2020. Die Zahl der Schlaganfall-Behandlungen lag 2021 um sieben Prozent niedriger als im Vergleichsjahr 2019 (2020: minus fünf Prozent). Außerdem seien in den Krankenhäusern pandemiebedingt deutlich weniger Darmspiegelungen gemacht worden. „Hier steht die Befürchtung im Raum, dass fehlende Diagnostik und spätere Behandlung zu mehr schweren Krebserkrankungen, höheren Tumorstadien bei der Erstdiagnostik und einer Erhöhung der Sterblichkeit führen“, sagte Klauber.
Einen starken Rückgang in den Kliniken stellte das WIdO außerdem bei planbaren Operationen fest, die auch ambulant vorgenommen werden könnten. „Insofern gab es im Zuge der Pandemie offenbar auch einen Abbau von Überversorgung“, unterstrich Klauber. Eine vollständige Rückkehr zum Fallzahl-Niveau vor der Pandemie sei nicht sinnvoll.
Bei der Versorgung der stationär behandelten Patientinnen und Patienten mit Covid-19 zeigte sich in den AOK-Daten eine Konzentration auf Universitätskliniken und Krankenhäuser der Maximalversorgung: Ein Viertel der Kliniken hat danach knapp zwei Drittel (62 Prozent) aller stationären Covid-19-Fälle behandelt.
Die AOK-Vorsitzende Reimann sagte, die Erfahrungen in der Pandemie hätten gezeigt, „dass in der Krankenhaus-Versorgung mehr Spezialisierung von Kliniken und eine Konzentration von Leistungen notwendig sind“. Es gebe zu viele Klinikstandorte. Sie forderte deshalb die Bundesregierung auf, die von ihr angekündigte Struktur- und Finanzreform im Krankenhausbereich für einen Umbau der Versorgungsstrukturen zu nutzen. In Deutschland könnten wesentlich mehr Krankenhausfälle ambulant versorgt werden als bisher, so Reimann.
Die Analyse der Krankenhausdaten von insgesamt rund 230.000 AOK-versicherten Covid-19-Erkrankten zeigt im bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie eine Sterblichkeit der stationär behandelten Patientinnen und Patienten von 19 Prozent. Bei den Beatmeten liegt sie sogar bei 51 Prozent. Besonders hoch ist die Sterblichkeit in der Altersgruppe der über 80-Jährigen mit 76 Prozent.