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Corona

Schlagabtausch über Impfpflicht im Bundestag




Impfaktion in Hannover
epd-bild/Harald Koch
Eine allgemeine Corona-Impfpflicht bleibt im Bundestag umstritten. Befürworter warben am 17. März im Parlament eindringlich dafür. Ob sie am Ende eine Mehrheit bekommen, ist aber weiter offen. Der Paritätische rügt das Zögern.

Berlin (epd). Befürworter und Gegner einer allgemeinen Corona-Impfpflicht haben sich am Donnerstag einen Schlagabtausch im Bundestag geliefert. Während die Verfechter einer Pflichtimmunisierung für alle Erwachsenen ab 18 Jahren für einen „Weg der Vernunft und Vorsorge“ warben, lehnten andere den Schritt als unzulässige Beschneidung der individuellen Entscheidung und Scheinlösung ab. In der ersten Aprilwoche soll das Parlament über das umstrittene Thema abstimmen. Nach der ersten Beratung am 17. März bleibt der Ausgang offen.

Dem Bundestag liegen insgesamt fünf verschiedene Anträge für oder gegen eine Ausweitung der Corona-Impfpflicht vor. Die meisten Unterstützer hat derzeit der Vorschlag von Vertretern der Koalition aus SPD, Grünen und FDP für die Impfpflicht ab 18. 236 Abgeordnete unterstützen ihn. Eine Mehrheit der 736 Parlamentarier tut dies aber nicht. Der Paritätische verwies angesichts der weiterhin steigenden Infektionszahlen besonders auf den Schutz der vulnerablen Gruppen und warnte vor den dramatischen Folgen, wenn jetzt Bemühungen zur Eindämmung der Pandemie auszubleiben drohen.

Werben um Stimmen aus der Union

Vertreter der Gruppe werben deshalb vor allem bei der Unionsfraktion mit ihren 197 Abgeordneten um Unterstützung. „Warten Sie nicht länger ab, gehen Sie mit uns den Weg der Vernunft und der Vorsorge“, sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens an CDU und CSU gerichtet. Hätte Deutschland bereits heute eine Impfquote von 90 Prozent, wären die Infektionszahlen nicht so hoch, sagte sie. Derzeit sind gut drei Viertel (75,8 Prozent) der Menschen in Deutschland vollständig gegen Covid-19 geimpft.

Für diesen Antrag warb auch Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne). Man müsse alles tun, um Menschen vor großen Freiheitseinschränkungen zu schützen. „Die Freiheitsabwägung beziehungsweise die Freiheitsinterpretation der wenigen darf nicht zur permanenten Freiheitseinschränkung der vielen führen“, sagte er. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) trat ebenfalls vehement für die Impfpflicht ab 18 ein. Die Ungeimpften trägen „die Verantwortung dafür, dass wir nicht weiterkommen“, sagte er. Mit der Impfpflicht habe man die Chance, aus der Pandemie herauszukommen, die Chance müsse ergriffen werden: Dass es im Herbst keine neue Corona-Welle gebe, sei genauso wahrscheinlich, wie dass es keinen Herbst geben werde, sagte Lauterbach.

CDU: Impfpflicht ist zum jetzigen Zeitpunkt tot

Die Union ging auf den Appell der Koalition nicht ein. Redner verteidigten den eigenen Fraktionsentwurf, der ein Impfpflichtgesetz auf Vorrat vorschlägt, das erst dann in Kraft treten soll, wenn es notwendig würde. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Impfpflicht „tot“, sagte der CDU-Abgeordnete Sepp Müller.

Bei ihrer Linie blieben auch die Gegner einer Ausweitung der Impfpflicht rund um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Er empfehle eine Impfung mit Nachdruck, das rechtfertige aber keine Pflicht, sagte Manuel Höferlin (FDP). Vulnerable Gruppen müssten geschützt werden, „aber nicht vor sich selbst“. Die Grünen-Abgeordnete Tabea Rößner sagte, eine Impfpflicht sei nur schwer zu rechtfertigen, wenn sie vor allem dem Eigenschutz, aber nicht dem Fremdschutz diene, weil sie vor Ansteckungen nach heutigem Stand nicht genug schütze.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, deren Fraktion einen eigenen Antrag gegen jegliche Impfpflicht vorgelegt hat, erklärte, eine Impfpflicht verletze das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die AfD fordert, auch die seit Mittwoch für das Personal im Gesundheitswesen und der Pflege geltende Corona-Impfpflicht wieder abzuschaffen.

Kompromiss setzt auf vorgeschaltete Beratung

Als mögliche Kompromisslösung bewarb die fünfte Gruppe im Parlament um den Abgeordneten und Infektiologen Andrew Ullmann ihren Vorschlag, der eine verpflichtende Impfberatung und eine Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren erst dann vorsieht, sollte die Beratung nicht zu einer genügenden Steigerung der Impfquote führen. Eine Impfpflicht dürfe nur Ultima Ratio sein, sagte Ullmann: „Wir vertrauen den Menschen, eine richtige Entscheidung zu treffen“, sagte er. Paula Piechotta (Grüne) sagte, auch eine begrenzte Impfpflicht könne helfen, die Infektionszahlen zu senken.

Als ein Vertreter der Länder warb in der Bundestagsdebatte der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) für die Impfpflicht. Er erinnerte den Bundestag daran, dass die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten aller 16 Bundesländer sich mehrfach für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen haben. „Wenn wir nur die Wahl haben zwischen ständiger Lockdown-Gefahr und Impfpflicht, dann sollten wir uns für die Impfpflicht entscheiden.“

„Impfpflicht ist das Gebot der Stunde“

Eine allgemeine Impfpflicht sei das Gebot der Stunde und auch eine Frage der Solidarität, so Ulrich Schneider, der Geschäftsführer des Paritätischen. Er verstehe natürlich, dass die Auflagen viele Menschen belasten, aber eine Corona-Infektion sei noch viel belastender."

In einer gemeinsamen Stellungnahme aller Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zum geplanten Infektionsschutzgesetz warnte der Verband zudem, dass der Schutz vulnerabler Personen in und außerhalb von Einrichtungen nicht gewährleistet werden könne, wenn zeitgleich bundesweit und gesamtgesellschaftlich der Maßnahmenkatalog in erheblichem Maße gelockert und damit ein weiterer Anstieg des ohnehin hohen Infektionsgeschehens riskiert wird.

Corinna Buschow, Bettina Markmeyer