sozial-Politik

Behinderung

Kein Handicap für ein glückliches Leben




Fabian Dinsing im inklusiven "Theater Augenblick", hier mit Laura Juretzka (Archivbild)
epd-bild/Pat Christ
Die Kassen übernehmen künftig die Kosten für vorgeburtliche Bluttests auf das Down-Syndrom. Kritiker fürchten, dass dadurch mehr Frauen abtreiben werden. Fabian Dinsing hat das Down-Syndrom. Er ist glücklich, etwa wenn er ein Theaterstück aufführt.

Würzburg (epd). Fabian Dinsing ist glücklich, wenn er ein neues Theaterstück einübt. „Korrekte Lebenslust“ heißt die jüngste Produktion, in der er sich engagiert. Der 26-Jährige mit Down-Syndrom aus Würzburg gehört dem inklusiven „Theater Augenblick“ an. Das bietet Menschen mit kognitivem Handicap die Chance, als Schauspieler Geld zu verdienen. Vor 23 Jahren, als das Ensemble entstand, war das noch ein ungewöhnlicher Gedanke: Können geistig behinderte Menschen Theater machen?

Es wird viel improvisiert

Einen Flop hat das „Theater Augenblick“ tatsächlich noch nie erlebt. Die Stücke faszinieren, berühren. Und das, sagt Theaterleiter Stefan Merk, liegt eben an den sehr speziellen Akteuren. Deren Lust, sich auf der Bühne zu verwirklichen, ist immens, wie Fabian Dinsing bestätigt: „Ich spiele immer total gern. Und ich mag jedes Stück von uns.“ Dass viel improvisiert wird, macht die Produktionen so lebendig. Vor allem bekommt das Publikum auf diese Weise einen Einblick in das Können und in die Emotionalität von Menschen, deren Talente noch immer weithin verkannt werden.

Die Stücke einzustudieren, erfordert viel Zeit. In manchen Produktionen stecken fast zwei Jahre Arbeit. Genau hier beginnt ein großes Problem: Inklusive Theaterarbeit zu finanzieren, ist schwierig. „Der Pflegesatz bei Kunst und Kultur müsste an die Inklusionsziele der Behindertenrechtskonvention angepasst werden“, wünscht sich Stefan Merk zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März. Mit den Geldern, die derzeit fließen, könnten keine neuen Theater- und Künstlerateliers mit behinderten Menschen entstehen. Dabei seien solche Projekte wichtig. Denn vor allem durch Kunst können Menschen mit kognitiven Handicaps zeigen, was in ihnen steckt.

Vorurteile bauen sich umso stärker ab, je intensiver die Menschen miteinander in Kontakt kommen. Umgekehrt verfestigen sich falsche Vorstellungen, wenn es keine Möglichkeit der Begegnung gibt. Das kann gravierende Konsequenzen haben. Viele Eltern zum Beispiel fürchten sich davor, ein Kind mit Down-Syndrom zur Welt zu bringen. „Sie glauben zum Beispiel, dass sie dann ein Kind haben werden, das lebenslang pflegebedürftig bleibt“, sagt Nicole Rüther, Elternberaterin beim Münchner Verein „Down Kind“. Dies sei eine unbegründete Angst, betont die 44-Jährige, die einen Bruder und eine neunjährige Tochter mit Down-Syndrom hat.

Ja zu einem Kind mit Behinderung

Menschen mit Down-Syndrom können viele Aufgaben mit Bravour lösen, sagt Rüther. Das schauspielerische Talent zum Beispiel, das Fabian Dinsing zeigt, sei nichts Ungewöhnliches. Ihre eigene Tochter habe eine Aura, die Menschen sofort in Bann ziehe: „Sind wir irgendwo im Urlaub, fahren die Leute immer gleich auf sie ab.“ Aufgrund ihrer eigenen positiven Erfahrungen ermutigt die Elternberaterin Väter und Mütter, Ja zu einem Kind mit Down-Syndrom zu sagen. Sehr schade sei, wenn Ärzte dies nicht tun, bedauert sie: „Nach meiner Erfahrung raten die allermeisten davon ab, ein Kind mit Down-Syndrom auszutragen.“

Eltern, denen die Courage für ein Ja zu einem solchen Kind fehlt, haben es künftig leichter als bisher, es abtreiben zu lassen. Sollen doch nichtinvasive Pränataltests (NIPT) auf die Trisomien 13, 18 und 21 voraussichtlich ab Frühjahr Kassenleistung werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss gab hierfür bereits grünes Licht.

Dabei handelt es sich um Bluttests, die seit zehn Jahren in Deutschland zugelassen sind. Sie ergänzen die invasiven Verfahren der Chorionzottenbiopsie und der Amniozentese. Beide sind seit 1975 Bestandteil der Versorgung. Hierbei kann es jedoch zu Komplikationen mit einer Fehlgeburt als Folge kommen. Nichtinvasive Pränataltests mussten bisher selbst bezahlt werden. Dabei können Kosten von mehr als 400 Euro anfallen. Dass Frauen, die dafür das Geld nicht haben, bisher keine Tests erhielten, wurde kritisch gesehen.

„Sterbebegleiterin - das hätte ich nicht gekonnt“

Für Nicole Rüther ist die Neuregelung schwierig. Eltern, die trotz eines solchen Frühhinweises ein „Down-Kind“ bekommen, würden womöglich noch stärker als bisher unter Druck geraten. So könnte es sein, dass sie sich häufig mit dem Satz auseinandersetzen müssen: „Das hättet ihr doch testen lassen können.“ Oder: „So ein Kind muss man doch heute nicht mehr bekommen.“

Baran Blodt hingegen findet es gut, dass nichtinvasive Pränataltests bald bezahlt werden. Blodt, die dem Vorstand des Elternkreises Down-Syndrom Mainz angehört, hat einen sieben Jahre alten Sohn mit Down-Syndrom: „Wir hatten damals in der Schwangerschaft keinerlei Tests gemacht.“ Als das zweite Kind unterwegs war, machten die Eltern Tests, weil sie sich auf ein womöglich beeinträchtigtes Kind einstellen wollten. „Hätte auch unser zweites Kind ein Down-Syndrom gehabt, hätten wir uns dennoch für es entschieden“, betont die Mainzerin. Das Paar wollte sich jedoch ein Nein offenhalten, wäre eine noch sehr viel gravierendere Behinderung diagnostiziert worden.

Baran Blodt hatte zum Beispiel eine Trisomie 18 ausschließen wollen. Kinder mit diesem Defekt sind geistig sehr stark behindert, sie haben mehrfache Fehlbildungen und in fast allen Fällen einen schweren Herzfehler. Die meisten sterben in den ersten Lebenswochen, nicht einmal jedes zehnte erreicht das erste Lebensjahr. „In diesem Lebensjahr wird man zur Sterbebegleiterin, und das hätte ich nicht gekonnt“, sagt Blodt.

Als Blodt mit ihrem zweiten Kind schwanger war, wurden die Testkosten noch nicht übernommen. Die Mainzerin musste rund 500 Euro aus eigener Tasche zahlen. Das, sagt sie, können sich viele Eltern nicht leisten. Was unfair sei. Darum begrüße sie es, dass die Tests Kassenleistung werden sollen. Die Meinung hierüber seien jedoch auch in ihrem Mainzer Verein gespalten.

Pat Christ


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