sozial-Politik

Corona

Gastbeitrag

Betretungsverbot ausgesprochen - wie geht es weiter?




Dietrich Bauer (li.) und Steve Görnit
epd-bild/Montage/Tobias Ritz/Diakonie Sachsen
Am 16. März tritt die Covid-19-Impfpflicht für Beschäftigte in Sozial- und Gesundheitseinrichtungen in Kraft. Verlieren sie ihren Job, wenn sie sich nicht impfen lassen? Wie sollen sich Arbeitgeber verhalten? Auf die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen geben der Vorsitzende der Diakonie Sachsen, Dietrich Bauer, und der Geschäftsführer der Arbeitsrechtlichen Kommission, Steve Görnitz, Antworten.

Kaum ein anderes Thema beschäftigt die Juristen im Bereich des Arbeitsrechts derzeit mehr als die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Eine der zentralen Fragen lautet: Was geschieht mit dem Arbeitsverhältnis und den gegenseitigen Leistungspflichten, wenn das Gesundheitsamt ein Betretungsverbot ausspricht?

Bedeutsam ist diese Frage nur für die Arbeitsverhältnisse, die bereits am 15. März 2022 und früher bestanden haben. Alle neuen Arbeitsverhältnisse ab dem 16. März 2022 dürfen ohnehin nur dann beginnen, wenn spätestens bei Arbeitsbeginn ein entsprechend gültiger Immunitäts-Nachweis gegen das Coronavirus vorliegt. Rechtlich empfehlenswert ist für diese Fälle die Vorlage des Nachweises vor Vertragsunterschrift, um spätere Nachweisprobleme von vornherein zu vermeiden.

Betretungsverbot führt zu Beschäftigungsverbot

Aber nun zum Eigentlichen: Ein Angestellter war bereits vor dem 16. März 2022 in der Einrichtung tätig, er hat keinen Nachweis vorgelegt. Der Arbeitgeber ist seiner Meldepflicht ab dem 16. März 2022 nachgekommen, und das Gesundheitsamt teilt mit, dass ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde. Dann darf der Arbeitgeber den Angestellten in der Einrichtung nicht mehr beschäftigen. Sprich: Das Betretungsverbot führt zu einem Beschäftigungsverbot.

Das Beschäftigungsverbot wiederum führt dazu, dass Gehaltszahlungen ab dem Beginn des Betretungsverbots eingestellt werden können. Da der Beschäftigte keine Arbeitsleistung mehr erbringt, verliert er damit auch den Anspruch auf die Gegenleistung, also die Entlohnung. Auch eine Vergütung aus anderen Quellen kommt nicht infrage, da das Arbeitsverhältnis bestehen bleibt.

Letzteres wird von dem Betretungsverbot grundsätzlich nicht berührt, sondern es besteht fort, bis der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer selbst ordnungsgemäß die Kündigung nach den üblichen Formalien ausspricht. Mit dem Betretungsverbot wird aber in der Regel die Grundlage dazu gelegt, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ob eine Kündigung aber letztlich ausgesprochen wird, bleibt weiterhin ein freiwilliger Entschluss der jeweiligen Vertragsparteien.

Keine Freistellung

Teilweise wird für die Zeit des Beschäftigungsverbots von einer „Freistellung“ gesprochen. Auf die hier beschriebene Situation trifft diese Bezeichnung aber nicht zu, da die Freistellung üblicherweise die Erlaubnis des Arbeitgebers oder die Vereinbarung der beiden Vertragsparteien meint, dass der Angestellte von der Arbeit (bezahlt oder unbezahlt) fernbleiben darf. Im vorliegenden Fall ist das Fernbleiben aber allein die Sache des Angestellten. Die Bezeichnung „Freistellung“ sollte daher von Seiten des Arbeitgebers vermieden werden.

Das Betretungsverbot kann für den Arbeitgeber in der Regel als Grundlage für eine außerordentliche Kündigung genutzt werden. Bevor eine außerordentliche, fristlose Kündigung aber ausgesprochen wird, ist der Einsatz eines milderen Mittels zu prüfen: Beispielweise, ob es in Betracht kommt, den Angestellten im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers umzusetzen. Das dürfte bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht allerdings nur selten möglich sein.

Wird das Betretungsverbot bekannt, kann und muss der Arbeitgeber dem Angestellten eine Frist setzen, die es ermöglicht, die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme der Tätigkeit in der Einrichtung zu erfüllen. In der Regel dürfte eine Impfung das ausgesprochene Betretungsverbot aufheben.

Frist setzen, Abmahnung aussprechen

Nutzt der Arbeitnehmer diese Frist - ein bis zwei Wochen sollten genügen - nicht, wird eine Abmahnung auszusprechen sein, verbunden mit der Setzung einer Nachfrist. Dabei sollte darauf hingewiesen werden, dass bei einem Ablauf der Nachfrist mit weiteren Sanktionen, bis hin zur Kündigung zu rechnen ist. Verläuft auch die Nachfrist ohne Erfolg, kann außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt werden. Das Arbeitsverhältnis endet damit.

Im Einzelfall kann eine Abmahnung auch schon früher ausgesprochen werden. Dafür müssen aber besondere Gründe vorliegen. Teilweise wird vertreten, dass das ausgesprochene Betretungsverbot oder bereits die fehlende Vorlage des Nachweises über eine Impfung oder Genesung zur Abmahnung führen kann. Dies kann möglich sein, aber in rechtlicher Hinsicht bietet die vorherige Fristsetzung nach Vorliegen eines Betretungsverbots mehr Rechtssicherheit für den Arbeitgeber. (Ungeklärt ist die Frage, wie lange das Betretungsverbot noch gilt, wenn sich jemand in der gesetzten Nachfrist impfen lässt. Hier trifft das Gesundheitsamt die Entscheidung.)

Krankschreibung ohne Lohnfortzahlung

Da das Betretungsverbot das Arbeitsverhältnis zunächst nicht antastet, muss der Arbeitnehmer folglich auch alle weiteren aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Pflichten erfüllen. Dazu zählt, dass auch eine neue, vorübergehende Tätigkeit nicht begonnen werden darf. Eine außerordentliche Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses wäre die Folge. Auch eine Krankschreibung dürfte in der Regel nicht zur Lohnfortzahlung führen, vor allem dann nicht, wenn die Erkrankung angekündigt wird. Ob bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber eine sogenannte Sperrfrist in Bezug auf die Zahlung von Arbeitslosengeld besteht, ist aktuell noch nicht vollständig geklärt.

Fazit: In jedem Einzelfall muss genau geprüft werden, ob eine außerordentliche Kündigung tatsächlich gerechtfertigt ist und alle milderen Mittel, mit entsprechender Abwägung, genutzt wurden. Im Zweifel sollten sich Arbeitgeber vorher sachkundigen Rat einholen, um die Risiken einschätzen zu können, die mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses einhergehen.

Dietrich Bauer ist Vorstandsvorsitzender der Diakonie Sachsen. Steve Görnitz leitet die Geschäftsstelle der Arbeitsrechtlichen Kommission.


Mehr zum Thema

Regierung: Impfpflicht für Gesundheitspersonal wird umgesetzt

Die Bundesregierung besteht trotz der Warnungen aus der Sozial- und Gesundheitsbranche darauf, dass die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht zum 16. März umgesetzt wird. Die zusätzliche Belastung sei "schaffbar" , sagt der Regierungssprecher.

» Hier weiterlesen