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Armut

Berliner Tafel-Gründerin Sabine Werth hilft seit fast 30 Jahren




Sabine Werth
epd-bild/Rolf Zöllner
Die Tafeln sind zum Synonym für die Verteilung von Lebensmitteln geworden, die anderweitig weggeworfen würden. Die Gründerin der ersten Tafel, Sabine Werth, will nach ihrem 65. Geburtstag nicht in Rente gehen, sondern weiter in die Vollen.

Berlin (epd). Vor Halle 30 auf dem Großmarkt am Westhafenkanal gegenüber der Justizvollzugsanstalt Plötzensee laden Mitarbeiter der Berliner Tafel unter grauem Winterhimmel Paletten mit Lebensmitteln aus und werfen sich Scherzworte zu. In der Halle wird jede Plastikschale mit Tomaten geöffnet und der Inhalt sortiert. Nicht mehr einwandfreies Obst und Gemüse kommt in die Tonne, der Rest wird sortenrein oder gemischt in Kiepen gepackt. „Je nach Größe der Einrichtung“, erklärt Sabine Werth, Gründerin der Berliner Tafel. Am 16. Januar wurde die gebürtige Berlinerin 65 Jahre alt - denkt jedoch nicht ans Aufhören. Sie wünscht sich zum Geburtstag Spenden für die Tafel.

Angefangen hat Werth vor 29 Jahren

Eingesammelt werden Lebensmittel, die ansonsten auf dem Müll landen würden. Die Tafel verteilt sie an insgesamt 350 soziale Einrichtungen in der Stadt. Diese hätten für ihre Küchen einen unterschiedlichen Bedarf, je nachdem wie häufig sie Mahlzeiten anbieten, erklärt Werth. Angefangen hat Werth vor 29 Jahren mit einer Gruppe Frauen, die nach New Yorker Vorbild bei Banketten Lebensmittel einsammelten: „Das war die Zeit, als Obdachlose mit Knüppelgewalt von der Polizei in ganz Deutschland aus den Innenstädten an die Stadtränder verfrachtet wurden.“

Damals nutzte sie sie ihr eigenes Auto. Heute stehe der Kauf von zehn neuen Transportern an, sagt die Frau mit der Ausstrahlung einer entschiedenen und fröhlichen Macherin: „Wir fahren zu 1.000 Stellen in der Woche, an guten Tagen sind wir mit 16 Touren unterwegs, entsprechend viele Autos brauchen wir.“

Nur einwandfreie Lebensmittel würden verteilt, sagt Werth. Deshalb sieht sie die Tafeln auch nicht als Wohlfahrtseinrichtungen: „Für mich ist es abwegig, Lebensmittel zu kaufen und sie zu verteilen, denn dann sind wir nichts anderes als Gutmenschen, die Almosen verteilen.“ Es gebe zu viel, das als überflüssig gelte und das vielmehr „bei Menschen landen muss, denen es schlecht geht“, sagt die überzeugte Lebensmittelretterin.

Unverzagte Herangehensweise

Werth gründete 1987 das nach eigenen Angaben erste private Pflegeunternehmen in Deutschland. Dessen Slogan „Wenn Sie nicht die Kinder hüten, sondern das Bett, dann rufen Sie uns an!“ spricht Bände über die anpackende und unverzagte Herangehensweise seiner Gründerin. „Leute zu ihrem Glück zwingen, finde ich richtig klasse“, lacht sie. „Möglichst, wenn sie aus der politischen Riege sind“, fügt die versierte Netzwerkerin mit einem verschmitzten Lachen hinzu. So sei es ihr etwa im Kontakt mit der ehemaligen Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) gelungen, Termine für ein Impfmobil an einen Teil der 26 Tafel-Ausgabe-Stellen zu bekommen.

Dass sie auch unangenehm werden kann, wird deutlich, als Werth von einer Modekette an der Berliner Gedächtniskirche erzählt, die sie aufforderte, dafür zu sorgen, dass Obdachlose vor ihrem Ladeneingang verschwinden. „Das sind Augenblicke, in denen ich den Bezirk und den Senat einschalte“, sagt sie leichthin.

Mittlerweile unterstützt die Berliner Tafel nach Angaben ihrer Gründerin jeden Monat 130.000 bedürftige Menschen mit Lebensmitteln. Dabei gehe es nicht um Versorgung, das sei Aufgabe des Staats, betont Werth. Im Bundesverband Tafel Deutschland sind heute insgesamt 960 Tafeln mit mehr als 2.000 Ausgabestellen organisiert.

Bettina Gabbe


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Miriam Meßling ist zur Vizepräsidentin des Bundessozialgerichts (BSG) ernannt worden. Sie folgt in dieser Position Thomas Voelzke, der in den Ruhestand getreten ist. Meßling, 1973 in Wuppertal geboren, ist seit 2016 Richterin am BSG. Sie war zunächst dem für die Sozialhilfe und das Asylbewerberleistungsrecht zuständigen 7./8. Senat, danach dem für das Beitragsrecht zuständigen 12. Senat und schließlich bis zu ihrer Ernennung zur Vorsitzenden Richterin dem für die gesetzliche Krankenversicherung zuständigen 1. Senat zugewiesen. Als Vorsitzende Richterin steht sie seit 1. September dem für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen 4. Senat und seit 1. Dezember auch dem für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen 11. Senat vor.

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