sozial-Politik

Kriminalität

Neues Internetportal mit Geschichten von 100 Missbrauchsbetroffenen



Berlin (epd). Ein neues Internetportal macht die Erfahrungsberichte von 100 Betroffenen sexualisierter Gewalt öffentlich. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs schaltete am 19. Januar das Portal „www.geschichten-die-zaehlen.de“ frei. Das Portal stelle die Perspektive der Opfer in den Mittelpunkt und nicht die Täter, sagte Kommissionsmitglied Matthias Katsch am 19. Januar während einer Online-Pressekonferenz. Es signalisiere Betroffenen, ihr Schicksal sei wichtig.

Das Portal sei ein „Herzensprojekt“ der Kommission, sagte die pensionierte Richterin Brigitte Tilmann. Zudem sei es deutschlandweit einzigartig. Die Geschichten stammen aus dem Arbeitszeitraum der Kommission und wurden in den vergangenen anderthalb Jahren ausgewählt und für die Veröffentlichung bearbeitet. Seit 2016 habe es mehr als 2.000 Anhörungen von Frauen und Männern gegeben, die in ihrer Kindheit und Jugend von sexuellem Missbrauch betroffen waren.

„Würdiger Erinnerungsort“

Die Berichte bilden unterschiedliche Tatkontexte ab, etwa in Schulen, Heimen, Sportvereinen, Kirchen sowie Familien. Die Tatzeiträume erstrecken sich von der Nachkriegszeit bis in die 2000er Jahre. Viele Menschen sprächen in ihren Erfahrungsberichten erstmals öffentlich über ihre Erlebnisse, sagte Tilmann. Mit der Veröffentlichung zolle man den Betroffenen Respekt und Anerkennung, nicht nur für das erlittene Leid, sondern auch für den Weg der Bewältigung, betonte Katsch, der selbst als Minderjähriger Opfer von Missbrauch im kirchlichen Umfeld wurde.

Über Missbrauch zu schreiben, sei eine Gratwanderung, sagte Tilman, ehemalige Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. Es stelle sich die Frage, wie explizit die Darstellung sein könne, damit Voyeurismus nicht gefördert werde, andererseits die Taten aber auch nicht verharmlost würden. So seien die Geschichten sensibel bearbeitet worden. Die Seite enthält zudem Hinweise auf ein anonymes Infotelefon und ist auch in leichter Sprache abrufbar.

Tilmann, die auch Kommissionsmitglied ist, sprach von einem „würdigen Erinnerungsort“, der auch fortbestehen soll, wenn es die Kommission nicht mehr gibt. Weitere Berichte sollen hinzukommen.