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Flüchtlinge

Migranten lernen Einmaleins von Mietvertrag und Hausordnung



Rund 1,5 Millionen Wohnungen fehlen laut Mieterbund in Deutschland, davon allein 630.000 Sozialwohnungen. Um sie bemühen sich auch Flüchtlinge. Ihnen sollen Schulungen nach dem "Neusässer Konzept" helfen.

Neusäß, Karlsruhe (epd). Eine Wohnung in Deutschland zu finden ist schwer. Besonders schwierig gestaltet sich die Wohnungssuche für Flüchtlinge. Zum Mangel an bezahlbaren Wohnungen kämen Vorurteile der Vermieter, sagte Susanne Kern von der Flüchtlingshilfe Neusäß (Kreis Augsburg) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Geflüchtete hätten angeblich „andere Gepflogenheiten“, habe etwa eine Maklerumfrage der Flüchtlingshilfe ergeben.

Ausgezeichnet mit Integrationspreis

Die Flüchtlingshilfe Neusäß entwickelte bereits 2016 einen Leitfaden zur Mieterqualifizierung. Das 50 Seiten lange Nachschlagewerk in leichter Sprache gibt Hinweise zum Verhalten bei Wohnungsbesichtigungen, zur Kommunikation mit Vermietern und dem Verständnis von Hausordnung und Mietvertrag. „Ziel der Schulung ist es, Vertrauen zu schaffen“, so Kern.

Als „Neusässer Konzept“ wurde der Leitfaden, den es mittlerweile auch in digitalem Format gibt, über das bayerische Staatsministerium verbreitet. Die Veröffentlichung wurde zur Erfolgsgeschichte. Mehr als 30.000 Hefte haben die Mütter und Väter des „Neusässer Konzepts“ in den vergangenen Jahren bundesweit verschickt. 2017 erhielten sie den Schwäbischen Integrationspreis für ihre Idee.

Wie trenne ich korrekt den Müll, wie heize und lüfte ich richtig, was ist mit Hausordnung gemeint? Antworten auf diese und andere Fragen erhalten die Teilnehmer bei der Mieterqualifizierung. „Einige Flüchtlinge wissen nicht, wie man einen elektrischen Herd bedient“, weiß Kern. An den fünf Abenden der Schulung würden diese und andere alltagspraktische Dinge geübt.

Noch immer in einer Sammelunterkunft

Diese Grundregeln der Wohnungssuche und der Hausordnung müsste man nach Ansicht von Martina Weiß am besten schon „in der Schule lernen“. Die Integrationsbeauftragte von Bad Schönborn im Landkreis Karlsruhe hat zuletzt zwölf Geflüchtete in ihrem Ort gecoacht.

Bleibeberechtigte Flüchtlinge benötigen neben einem festen Arbeitsvertrag eine Wohnung, um ein selbstständiges Leben zu führen, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Flüchtlingshilfe in Bad Schönborn und Kronau, Grana Nawabi. Nur so könnten sie ihren Aufenthaltsstatus verbessern oder einen Familiennachzug erreichen.

Sie kennt die Schwierigkeiten geflüchteter Menschen, eine Wohnung zu finden. Auch Vermieter, die selbst einen Migrationshintergrund haben, würden vor der Vermietung an Flüchtlinge zurückschrecken, sagte sie. Nawabi berichtet von einem Flüchtling, der trotz abgeschlossener Ausbildung zum Schreiner und Arbeitsstelle keine Wohnung findet und noch immer in der Sammelunterkunft lebt.

60 Bewerbungen auf eine Wohnung

Besonders schwierig sei die Wohnungssuche für Familien mit mehr als zwei Kindern, weiß die gebürtige Afghanin. Als sie vor 41 Jahren nach Deutschland flüchtete, habe sie nach drei Monaten eine Wohnung gefunden, erinnert sie sich. Bei einem Treffen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017 hatte Nawabi die zwei Hauptprobleme bei der Integration Geflüchteter angesprochen: die Arbeitssuche und die Wohnungssuche.

In Deutschland gebe es wenig Platz für günstigen Wohnraum, sagte Gudrun Troes von der Baugenossenschaft Ardensia eG in Karlsruhe, die gerade einem Flüchtling eine Wohnung vermittelt hat. „Wir achten auf eine gesunde Mischung“, betonte die für soziale Fragen zuständige Mitarbeiterin. Nur so könne Integration in das Wohnumfeld gelingen.

Der Dienstleister erhält viele Anfragen, auch von Flüchtlingen. Auf eine Wohnung kämen binnen kurzer Zeit 60 Bewerbungen, sagte Gudrun Troes. „Wir können aber nicht jedem Bedürftigen helfen“, betont sie. „Wo keine Wohnung ist, können wir nichts bieten.“

Die Hoffnung der Flüchtlingshelfer ruht auf der Qualifizierung der Mieter. Die Schulungen zur Mieterqualifizierung werden von Städten und Landkreisen unterstützt. Angeboten werden die freiwilligen Zertifizierungskurse sowohl von professionellen Coaches als auch von Kirchen und Flüchtlingshelfern. Das Zertifikat habe schon manche Kündigung vermieden, ist die Erfahrung von Susanne Kern.

Susanne Lohse


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