Berlin (epd). Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP will sich für die Debatte über die mögliche Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht mehr Zeit nehmen. Die stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Schmidt und Dirk Wiese, teilten am 6. Januar in Berlin mit, man wolle den Januar dafür nutzen, eine breite gesellschaftliche Debatte zu ermöglichen. Dazu gehört nach ihren Worten neben Gesprächen mit Expertinnen und Experten eine Orientierungsdebatte im Parlament. Ein Abschluss des Gesetzgebungsprozesses werde für das erste Quartal des Jahres, also bis Ende März angestrebt. Für die kommende Woche, in der der Bundestag planmäßig zusammenkommt, steht das Thema nicht auf der Tagesordnung.
„Diese breite Diskussion ist für dieses gesellschaftlich sensible Thema wichtig und notwendig. Daher werden wir uns ausreichend Zeit dafür nehmen“, erklärten die Gesundheitspolitiker. Orientierungsdebatten hatte der Bundestag in der vergangenen Wahlperiode über die Themen Organspende und Sterbehilfe abgehalten. Zu solch einer Debatte liegen in der Regel noch keine konkreten Gesetzesentwürfe vor, über die abgestimmt werden soll. Sie soll dem offenen Meinungsaustausch über Fraktionsgrenzen hinweg dienen.
Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr bereits eine Impfpflicht für das Personal von Einrichtungen beschlossen, in denen besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen versorgt, behandelt oder betreut werden. Sie gilt ab Mitte März. Darüber hinaus wird auch über eine allgemeine Corona-Impfpflicht für die ganze oder zumindest Teile der Bevölkerung diskutiert. Dazu soll es Anträge im Bundestag geben, über die die Angeordneten dann jeweils nach Überzeugung und nicht nach Parteidisziplin abstimmen sollen. Bislang gibt es nur aus den Reihen der FDP einen konkreten Entwurf, der die allgemeine Impfpflicht ablehnt.
Eine allgemeine Impfpflicht sei das falsche Instrument für das Anliegen, sagte die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg, die diesen Antrag unterstützt, am 6. Januar. Bei einer allgemeinen Impfpflicht sehe sie verfassungsrechtliche und praktische Probleme. Dazu zähle etwa die Frage, wie oft die Impfpflicht greifen soll.
Auch in der Union wachsen die Zweifel. Die Frage sei, ab wann sie gelten soll, ab welchem Alter, wie sie sanktioniert werde und für wie viele Impfungen sie gelte, sagte der Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU). Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der als einer der Ersten eine Impfpflicht gefordert hatte, scheint nicht mehr restlos überzeugt: „Ich gebe zu, ich bin auch etwas verunsichert“, sagte er.
Die Unionspolitiker kritisieren zudem die Absprache in der Ampel-Koalition, eine Impfpflicht über Gruppenanträge im Bundestag zu debattieren und die Abstimmung freizugeben, wie es bei medizinethischen Themen üblich ist. Söder und Brinkhaus fordern einen Entwurf der Bundesregierung. „Die Regierung muss einen Vorschlag machen, wann, für wen, welche Gruppen und wie eine solche Impfpflicht umgesetzt werden soll“, sagte Söder. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei gefordert, sagte Brinkhaus. Er könne das nicht „ans Parlament delegieren“.