Karlsruhe (epd). Das Bundesverfassungsgericht hat einem ehemaligen DDR-Heimkind im Streit um dessen Rehabilitierung recht gegeben. Der Prozess müsse vom Landgericht Schwerin neu aufgerollt werden, teilte das Bundesverfassungsgericht am 29. Dezember in Karlsruhe mit. Der damals jugendliche Beschwerdeführer war nach dem DDR-Fluchtversuch seiner Mutter 14 Monate lang in einem Heim untergebracht worden. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur begrüßte den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.
Eine Rehabilitierung des Mannes hatten sowohl das Landgericht Schwerin als auch das Oberlandesgericht Rostock abgelehnt. Die Gerichte hätten ihre Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären, grob verkannt, erklärte dazu das Bundesverfassungsgericht. Der Beschluss des Oberlandesgerichts sei willkürlich gewesen.
Im Oktober 1977 war der damals 13-Jährige mit seiner Mutter aus der DDR in die Tschechoslowakei gereist, um von dort nach Westdeutschland zu gelangen. Beide wurden von tschechoslowakischen Sicherheitskräften verhaftet. Der Junge wurde von seiner Mutter getrennt und in ein DDR-Kinderheim gebracht. Die Mutter wurde nach einer Untersuchungshaft im Januar 1978 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und fünf Monate später in die Bundesrepublik ausgesiedelt. Erst im Dezember 1978 konnte die Mutter ihren Jungen aus dem Heim holen und mit ihm ausreisen.
Den Antrag des Beschwerdeführers, ihn wegen der Heimunterbringung nach dem entsprechenden Gesetz zu rehabilitieren, hatte das Landgericht Schwerin im September 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Die eingelegte Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht im Jahr 2016. Die Beschlüsse beruhten auf einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts, urteilte jetzt das Bundesverfassungsgericht.
Eine Heimeinweisung sei insbesondere dann rechtsstaatswidrig gewesen, wenn die Eltern eines Kindes aus politischen Gründen in Haft gewesen seien, erklärte das Bundesverfassungsgericht. Dies gelte ebenfalls, wenn seinerzeit aufnahmebereite Menschen von den DDR-Behörden übergangen worden seien. Eine solche Aufnahme hatten der Halbbruder des Jungen, der bereits in der Bundesrepublik lebte, und die Großeltern angeboten.
Das Oberlandesgericht habe „organisatorisch-bürokratische Hemmnisse“ für die Heimunterbringung angeführt, ohne dies tragfähig begründen zu können, monierten die Karlsruher Richter. Es dränge sich der Schluss auf, dass die Entscheidung „auf sachfremden Erwägungen beruht“.
Az.: 2 BvR 1985/16