Berlin (epd). Bernd Meurer verweist darauf, dass vulnerable Gruppen am besten geschützt werden könnten, wenn auch Besucher und Angehörige geimpft sind. „Das klare Signal einer allgemeinen Impfpflicht würde erheblich den Druck von der Pflege nehmen. Die Pflegekräfte und Einrichtungen sind am Limit, weitere Personalausfälle nicht verkraftbar.“ Die Fragen stellte Dirk Baas
epd sozial: Personal ist nicht erst seit Corona knapp. Jetzt drohen weitere Ausfälle, wenn eine weitere Corona-Welle durchs Land rollt. Sehen Sie für Ihren Verband eine akute Gefahr, dass so viele Pflegekräfte ausfallen, dass der normale Pflegebetrieb nicht mehr gewährleistet ist?
Bernd Meurer: Bereits jetzt gibt es in der Pflege einen immensen Personalmangel, und jeder Verlust von Mitarbeitenden ist eine zusätzliche Gefahr für die Versorgung der Pflegebedürftigen. Unsere Mitgliedsunternehmen versuchen daher, jeden Ungeimpften doch noch zu überzeugen. Wenn die Politik das Problem der sehr gefährdeten Sicherstellung der pflegerischen Versorgung nicht ernst nimmt, wird das verheerende Folgen haben. Denn es ist nicht zu erkennen, dass sich die Politik während der Pandemie ernsthaft darum bemüht hat, die Zahl der Pflegekräfte zu steigern.
epd: Gibt es Möglichkeiten, Vorsorge zu treffen und Personal und Pflegebedürftige verlässlich zu schützen?
Meurer: Der beste Schutz für Pflegebedürftige und Pflegekräfte sind möglichst niedrige Infektionszahlen. Dafür brauchen wir eine höchstmögliche Impf- und Boosterquote, strenge Testkonzepte, FFP2-Masken und Abstand. Besucherinnen und Besucher können durch vollständigen Impf- und Boosterschutz sowie die konsequente Einhaltung von Maskenpflichten und Abstandsgeboten wirkungsvoll mithelfen.
epd: Für die Pflegeeinrichtungen hat die jüngste Bund-Länder-Runde keine weiteren Kontaktbeschränkungen beschlossen. Ist das nicht fahrlässig?
Meurer: Die Pflegeeinrichtungen befinden sich seit fast zwei Jahren im Notfallmodus und passen ihre Schutzkonzepte, Hygienemaßnahmen, Testfrequenzen und die Organisation von Impfungen jederzeit an die neuen Gegebenheiten an. Es gilt stets zwischen dem Schutzbedürfnis und der gewünschten Öffnung der Einrichtungen abzuwägen. Hier werden die Einrichtungen erneut alleingelassen: Das RKI fordert deutliche Kontaktbeschränkungen, und die Politik belässt es über Weihnachten, wie es ist. Ausbaden müssen es die Einrichtungen.
epd: Ist die Impfpflicht für Beschäftigte in Einrichtungen der richtige Weg und kommt diese Maßnahme überhaupt rechtzeitig genug. Gelten soll das ja nach dem jüngsten Gesetz erst am März?
Meurer: Die nun beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht kann in der Pandemiebekämpfung nur einen überschaubaren Effekt haben. Was soll sie bewirken, wenn bei Rekordinfektionszahlen die Besucher der Heime, das Reinigungspersonal ebenso wie die Kontakte der Pflegebedürftigen zu Hause weiterhin ungeimpft sein können? Wir sind offen für eine allgemeine Impfpflicht, denn wer die Pflegeeinrichtungen geöffnet halten will, muss diese Frage ebenfalls beantworten. Das gilt für die Gegenwart wie für zukünftige Wellen.
epd: Wie werden die Fachkräfte auf die Impfpflicht reagieren? Es gibt ja auch die Befürchtung, dass etliche dringend benötigte Pflegekräfte die Impfung weiter verweigern und aus dem Beruf ausscheiden. Haben Sie das schon Anhaltspunkte?
Meurer: Bisher haben wir nur in Einzelfällen davon gehört, dass Beschäftigte mit Blick auf die kommende Impfpflicht beabsichtigen zu kündigen. Die Sorge nimmt allerdings an vielen Stellen deutlich zu. Bei Pflegeunternehmen in Regionen mit hohen Inzidenzen und geringen Impfquoten gibt es die berechtigte große Befürchtung, dass dies häufiger passieren könnte. Der Ethikrat hat sich heute klar positioniert; das muss jetzt die Basis für eine zeitnahe Entscheidung des Deutschen Bundestages sein. Vulnerable Gruppen können am besten geschützt werden, wenn auch Besucher und Angehörige geimpft sind. Das klare Signal einer allgemeinen Impfpflicht würde erheblich den Druck von der Pflege nehmen. Die Pflegekräfte und Einrichtungen sind am Limit, weitere Personalausfälle nicht verkraftbar.