Hannover (epd). Der hannoversche Psychiater Tillmann Krüger ermuntert die Geimpften in der anhaltenden Pandemie zu Toleranz und Langmut. Trotz der anhaltenden Einschränkungen sei eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durchaus möglich, sagte der Oberarzt der Psychiatrischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Zwar müssen wir uns damit anfreunden, dass Masken und Vorsichtsmaßnahmen unser Leben begleiten, aber Geimpfte werden derzeit nicht benachteiligt.“
Er habe großes Verständnis für diejenigen, die alles getan hätten, um die Pandemie einzudämmen und nun wieder ein normales Leben führen wollten, sagte Krüger. „Sie haben sich impfen lassen, tragen Masken und halten die Hygieneregeln ein - sie haben ihren Beitrag geleistet.“ Verstehen könne er auch den Unmut in den Kliniken: „Pflegekräfte und Ärzte sind zum Teil verärgert und genervt von Covid-Patienten, die nicht bereit waren, sich impfen zu lassen.“
Bei seiner Online-Erhebung während der zweiten Welle habe er festgestellt, dass Impfgegner in allen Gesellschaftsschichten vertreten seien, sagte der Geschäftsführende Oberarzt der Medizinischen Hochschule Hannover. „Sie haben genauso viel Geld und Bildungsjahre wie diejenigen, die Eindämmungsmaßnahmen befürworten.“
Überrascht habe ihn jedoch, dass diese Menschen häufiger ein negatives Selbstbild, Zweifel und Misstrauen und ein höheres Angstlevel zeigten. Ein Misstrauen gegen „die da oben“ - eine sogenannte Demokratieentleerung - sei in dieser Gruppe weit verbreitet. „Diese Menschen kommen mit der Corona-Situation deutlich schlechter klar. Aus meiner psychiatrischen Brille sehe ich da auch eine Pandemie der Angst“, konstatierte Krüger.
Die Erfahrung zeige, dass Impfunwillige auf Appelle selten reagierten, sagte der Professor. Er stelle solchen Menschen darum die Frage: „In dieser Pandemie muss jeder einen Preis zahlen oder einen Beitrag leisten. Was ist dein Preis oder dein Beitrag, um Schaden von dir und anderen abzuwenden?“ Diese Frage müsse sich jeder gefallen lassen.
Wer sich nicht impfen lasse, werde sich trotzdem mit dem Virus ernsthaft auseinandersetzen müssen, unterstrich der Experte. „Es gibt Personen, die mit sachlichen Argumenten nicht erreichbar sind. Die müssen dann aber die Konsequenzen ihres Verhaltens ertragen.“