sozial-Recht

Landessozialgericht

Krankenkasse muss Silikonfinger zum Behinderungsausgleich bezahlen



Darmstadt (epd). Gesetzlich Krankenversicherte können im Einzelfall bei fehlenden Fingern Anspruch auf eine maßgefertigte Fingerhandprothese aus Silikon haben. Führt die individuell angefertigte Prothese zu einer deutlichen Verbesserung der Greiffunktion der Hand, darf die Krankenkasse die Kostenübernahme nicht wegen vermeintlich fehlender medizinischer Notwendigkeit ablehnen, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt in einem am 2. November bekanntgegebenen Urteil.

Im konkreten Fall ging es um eine heute 34-jährige Arzthelferin, die seit ihrer Geburt von einer Fehlbildung ihrer linken Hand betroffen war. Im Zuge von Operationen gingen Teile ihrer Hand verloren. Der Mittelfinger fehlt komplett, Daumen, Zeige- und Ringfinger sind nur zur Hälfte vorhanden. Um besser greifen zu können, verordneten ihre Ärzte eine maßgefertigte Fingerhandprothese aus Silikon.

Die gesetzliche Krankenkasse der Frau lehnte die Kostenübernahme in Höhe von rund 17.600 Euro ab. Die Prothese verfüge über keine Gelenke und gleiche auch keine verlorengegangenen oder eingeschränkten Funktionen der Hand aus. Sie solle nur die linke Hand „möglichst naturgetreu und ästhetisch nachbilden“.

Sachverständiger kam zu anderem Ergebnis

Doch der vom LSG beauftragte Sachverständige kam zu einem anderen Ergebnis. Wegen der noch vorhandenen beweglichen Grundgelenke in der Hand könne die Greiffunktion deutlich verbessert werden. Auch das Greifen leichter größerer Gegenstände sowie das Arbeiten mit Tastatur und Maus eines Computers würden erleichtert, ebenso die Arbeit mit berührungsempfindlichen Bildschirmen.

Die Darmstädter Richter urteilten, dass die Prothese damit einen erheblichen Behinderungsausgleich darstelle. Sie sei geeignet, „die erheblich herabgesetzte Funktionsfähigkeit der linken Hand der Versicherten teilweise auszugleichen“. Das Hilfsmittel verstoße auch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Zwar habe der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Erforderlichkeit der Fingerprothese anders gesehen. Dessen Gutachten sei aber lediglich nach Aktenlage und nur auf der Basis von Fotos der betroffenen Hand erstellt worden. Daher sei dieses Gutachten „nicht maßgeblich“, urteilte das LSG

Az.: L 8 KR 477/20