Frankfurt a.M./Kassel (epd). Für viele Rentnerinnen und Rentner fängt ihr Lebensabend bitter an: Nach vielen Jahren Erwerbsarbeit, Kindererziehungszeiten oder Pflege von Angehörigen reicht die Rente für den Lebensabend nicht - sie müssen den Gang zum Sozialamt antreten. Ob die von der angestrebten Regierungskoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit ihrer angekündigten „bürgerfreundlichen“ Rente diesen Ruheständlern Verbesserungen bringen wird, ist offen.
Im Sondierungspapier der drei Parteien, das als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen dient, heißt es: „Gegenseitiger Respekt erwächst nur, wenn niemand sich zurückgelassen fühlt.“ Die gesetzliche Rente solle daher auf ein Mindestrentenniveau von 48 Prozent gesichert werden. Das bedeutet, dass nach 45 Beitragsjahren Rentner mindestens 48 Prozent des aktuellen Durchschnittsverdienstes erhalten. „Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben“, lautet ein weiteres Versprechen der Ampel-Parteien.
Doch neben den im Sondierungspapier genannten Punkten sehen Sozialexperten weiteren Nachbesserungsbedarf bei der Rente. So hatte die SPD im Wahlkampf mit eigenen Erfolgen bei der Absicherung der Renten geworben, konkret mit der von der großen Koalition zum 1. Januar 2021 eingeführten Grundrente. Von dieser sollen rund 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner profitieren. Haben die Betroffenen in ihrem Vollzeit-Arbeitsleben nur wenig verdient, können sie mit der Grundrente einen Zuschuss zu ihrer erarbeiteten Rente erhalten. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung steigt mit der Grundrente die Rentenzahlung im Durchschnitt allerdings nur um 75 Euro monatlich.
Nach Auffassung von Thomas Kohlrausch, Rechtsexperte beim Centrum für Revision und Europäisches Recht bei der DGB Rechtsschutz in Kassel, geht das Ziel der Grundrente, Geringverdienern eine höhere Rente zu verschaffen, zwar in die richtige Richtung. Ausreichend sei sie aber nicht. „Wer 40 Jahre lang den Mindestlohn erhalten hat, bekommt auch mit der Grundrente keine auskömmliche Rente“, sagte Kohlrausch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn vielen bleibe angesichts von Preissteigerungen und Mietenexplosion insbesondere in den Großstädten auch mit der Grundrente nur der Gang zum Sozialamt.
Möglich ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht die neue Regierung zu einer Korrektur des Rentensystems zwingt. Im Dezember 2015 legten 376 Familien mit Unterstützung des Deutschen Familienverbandes und des Familienbundes der Katholiken Verfassungsbeschwerde gegen das bestehende Rentenbeitragssystem ein.
Die Eltern klagten, dass sie einerseits das Sozialversicherungssystem stützen, indem sie mit ihren Kindern spätere Beitragszahler aufziehen, „gedankt“ werde ihnen dies aber mit einer geringeren Rente. Denn Kindererziehungszeiten führten oft zu Brüchen in der Erwerbsbiografie. Die Folge seien geringere Renten, insbesondere bei Frauen. Das geltende Rentensystembenachteilige Familien. Daher müsse für sie eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen her.
Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel sah in dem Beitragssystem zuletzt mit Urteil vom 20. Juli 2017 keinen Verstoß gegen das Grundgesetz (Az.: B 12 KR 14/15 R). Die Kläger könnten nicht die geforderte Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 50 Prozent verlangen. Der Gesetzgeber fördere sie bereits mit Kinder- und Elterngeld.
Gegen dieses Urteil wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt. Ob darüber noch dieses Jahr entschieden und damit die künftige Regierungskoalition zu einer möglichen Nachbesserung verpflichtet wird, ist nach Angaben des Gerichts in Karlsruhe unklar.