sozial-Branche

Altersvorsorge

Gastbeitrag

Alle Erwerbstätigen in der gesetzliche Rente vereinen




Verena Bentele
epd-bild/Christian Ditsch
Für den VdK hat nur eine grundlegende Reform der Altersversorgung, die alle Beschäftigten als Beitragszahler umfasst, eine sichere Zukunft. Warum das so ist, wo die Hürden liegen und was die Bundesregierung zu tun hat, erläutert VdK-Präsidentin Verena Bentele in ihrem Gastbeitrag für epd sozial.

„#rentefüralle“. So lautete das Motto der letzten bundesweiten Kampagne des Sozialverband VdK. Schon seit Jahrzehnten kämpft der VdK dafür, dass künftig alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung verpflichtend einzahlen: Also auch Minijobber, Selbstständige, Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften, politische Mandatsträger und Beamtinnen und Beamte.

Aktuell ist der Einstieg in eine solche Erwerbstätigenversicherung wichtiger denn je. Warum? Wenn die Unterschiede zwischen Renten und Pensionen immer weiter steigen, ist der soziale Frieden in Deutschland in Gefahr. Angestellten Lehrerinnen und Lehrer etwa ist nicht vermittelbar, warum die Pensionen der verbeamteten Kollegen deutlich höher sind als ihre Renten. So erhält etwa ein verbeamteter Lehrer in Bayern (Besoldung A13), der bis zum Ruhestand noch 35 Jahre zu arbeiten hat, eine Pension von 3.138,62 Euro brutto. Ein vergleichbarer angestellter Lehrer (Tarifgruppe TV-L E13) bekommt eine gesetzliche Rente von 1.495,81 Euro brutto.

Solidargemeinschaft stärken

Eine Erwerbstätigenversicherung stärkt zudem die Solidargemeinschaft. Außerdem unterstützt die Bevölkerung diese Idee: Mehr als 70 Prozent der Deutschen fordern laut einer aktuellen Studie, dass alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

Ein Neustart in der Rente ist auch deshalb wichtig, weil unser derzeitiges Alterssicherungssystem auf eine breitere finanzielle Basis gestellt werden muss. Nur so lässt sich gewährleisten, dass in Zukunft die Deutschen von einer anständigen und gerechten Rente im Alter leben können. Zwar wird es bei der Einführung einer solchen Erwerbstätigenversicherung kurz- und mittelfristig in der Übergangsphase zu Mehrausgaben kommen, da der Bestandsschutz für aktuelle Pensionäre selbstverständlich gilt. Langfristig führt sie jedoch zu Mehreinnahmen, da mehr Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Und die hohen Ausgaben für die Pensionen fallen ebenfalls langfristig weg.

Die Zeit läuft davon

Die Zeit drängt. Denn schon bald werden die Baby-Boomer-Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden und in den Ruhestand bzw. in die Rente eintreten. Wegen ihnen wird die Zahl der Rentnerinnen und Renter sowie der Pensionärinnen und Pensionäre ab 2025 deutlich ansteigen. Darum brauchen wir mehr Menschen, die in das gesetzliche Rentenversicherungssystem einzahlen. Werden auch Beamte, Selbstständige und Politikerinnen und Politiker einbezogen, lässt sich die Zahl der Beitragszahlerinnen und -zahler erhöhen und die finanzielle Mehrbelastung abfedern.

Dabei sind allerdings einige Herausforderungen zu umschiffen. Übergangsregelungen sind notwendig: Es werden nur „neue“ Erwerbstätige einbezogen, die dem jeweiligen Sicherungssystem bisher nicht angehören. Bei den neu in das Beamtenverhältnis Berufenen sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zu beachten. Dazu zählt vor allem der verfassungsrechtliche Alimentationsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes und die entsprechende richterliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Außerdem haben Beamtinnen und Beamte einen Rechtsanspruch auf einen Beitragszuschuss durch ihren Arbeitgeber für ihre Alterssicherung.

Österreich zeigt, dass die Umstellung funktioniert

Dass die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung funktioniert, zeigt das Beispiel Österreich. Dort gibt beziehungsweise gab es wie in Deutschland Unterschiede zwischen verschiedenen Berufsgruppen. Aktuell werden in einer Übergangsphase alle Beamten in ein einheitliches Alterssicherungssystem überführt. Und das äußerst erfolgreich: Die durchschnittlichen Zahlungen im Alter liegen in Österreich deutlich über dem deutschen Niveau, und zwar für alle Berufsgruppen. Auch eine Studie der Universität Duisburg-Essen zeigt, dass durch eine Erwerbstätigenversicherung das Rentenniveau erhöht und gleichzeitig die Beiträge stabil gehalten werden können.

Nun ist also die Politik am Zug. Ob die neue Bundesregierung einen Neustart in Richtung Erwerbstätigenversicherung wagt, hängt von ihrem Mut und dem politischen Willen ab. Zunächst gilt es, alle Minijobber verpflichtend einzubeziehen. Darauf könnte sich eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen sicherlich einigen. Gleiches gilt für die Einbeziehung von Selbstständigen, die bisher im Alter nicht abgesichert sind.

Hier kommt ein ganz neuer Aspekt ins Spiel: Die Erwerbstätigenversicherung sorgt nicht nur für mehr soziale Gerechtigkeit und ist aus Finanzierungssicht sinnvoll. Sie hilft auch im Kampf gegen Altersarmut. Warum? Lediglich ein Viertel der Solo-Selbstständigen ist bisher in ein obligatorisches System der Altersvorsorge einbezogen. Die Hälfte der ehemals Selbstständigen hat ein Alterseinkommen von unter 1.000 Euro. Von den Ruheständlern, die auf Grundsicherung angewiesen sind, sind 17 Prozent ehemals Selbstständige. Auch dies gilt es zu verhindern. In einem ersten Schritt sollten deshalb Selbstständige ohne adäquate Absicherung über berufsständische Versorgungswerke in die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden und zwar ohne Ausnahme.

Auch Abgeordnete einbeziehen

Und warum ist es sinnvoll, alle politischen Mandatsträger in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen? So viele sind das doch gar nicht, könnte man einwenden. Da lohnt ein Blick in den deutschen Bundestag: Nach vier Amtsjahren als einfacher Bundestagsabgeordneter gibt es derzeit 4.500 Euro im Monat als Ruhegeld. Dafür müsste ein Durchschnittsverdiener 132 Jahre arbeiten, um eine entsprechend hohe Rente zu erhalten. Somit ist die Einbeziehung von Bundestagsabgeordneten ein zwar zahlenmäßig kleiner, aber symbolisch immens wichtiger Schritt in Richtung einer solchen Erwerbstätigenversicherung.

Die damit verbundene Vorbildfunktion der Abgeordneten trägt zur Stärkung der Akzeptanz des gesetzlichen Rentensystems bei. Sie einzubeziehen ist auch deshalb wichtig, weil die Menschen, die über das System der gesetzlichen Rentenversicherung entscheiden, auch selbst darin versichert sein sollten, um das System von innen und außen zu kennen. Dies würde zudem das soziale Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung stärken.

Fazit: Die Erwerbstätigenversicherung ist rechtlich umsetzbar, sozial gerecht, stärkt finanziell die Rentenversicherung und hilft im Kampf gegen Altersarmut. Worauf also wartet die Politik noch?

Verena Bentele ist Präsidentin des Sozialverbands Deutschland (VdK)