Berlin (epd). Der Medizinische Dienst der Krankenkassen fordert ein verbindliches Meldesystem für schwere Behandlungsfehler. Die jährliche Statistik, die der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) am 12. Oktober in Berlin vorstellte, zeige nur einen kleinen Ausschnitt des Problems, erklärte MDS-Geschäftsführer Stefan Gronemeyer: „Die Dunkelziffer ist hoch.“
Deshalb fordere die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verpflichtende Meldungen für sogenannte Never Events, also vermeidbare, besonders schwere Fehler. Dazu zählen etwa Patienten- oder Seitenverwechslungen, Medikationsfehler oder zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen. Patientenschützer forderten einen Härtefallfonds für Opfer von Behandlungsfehlern.
Meldungen über Fehler müssten vertraulich und unabhängig von ärztlichen Haftungsfragen erfolgen, sagte Gronemeyer. Sie sollten allein einer Verbesserung der Patientensicherheit dienen. Während zahlreiche Länder ein solches Meldesystem bereits eingeführt hätten, fehle es in Deutschland noch immer. Bei der Begutachtung stelle der MDS immer wieder die gleichen Fehler fest.
Der Medizinische Dienst erstellt die fachärztlichen Gutachten, wenn ein Behandlungsfehler vermutet wird. Im vorigen Jahr waren es rund 14.000. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler mit Folgen bestätigt, in jedem fünften Fall war der Fehler eindeutig der Grund für den Schaden beim Patienten (rund 2.800 Fälle). Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem etwa gleichbleibenden Niveau.
Zwei Drittel der Vorwürfe beziehen sich auf Krankenhausbehandlungen, ein Drittel auf Arztpraxen. In den meisten Fällen geht es um Operationen, weil dort Fehler am ehesten bemerkt werden. Im Jahr 2020 betrafen ein Drittel der Beschwerden die Orthopädie und die Unfallchirurgie. Mit einem Anteil von zwölf Prozent folgten die Allgemeinmedizin und die Innere Medizin.
Bei zwei Dritteln der Patientinnen und Patienten waren die Schädigungen vorübergehend, sie mussten aber behandelt werden. Ein Drittel trug einen dauerhaften Schaden davon. 82 Patienten starben infolge eines Kunstfehlers, das sind drei Prozent aller vom MDS geprüften Fälle.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte einen Härtefallfonds für die Opfer von medizinischen Behandlungsfehlern. Vorstand Eugen Brysch sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, der Fonds sollte zu seinem Start mindestens 100 Millionen Euro umfassen und vom Staat sowie den Haftpflichtversicherungen der Krankenhäuser und Ärzte gefüllt werden.
Aus dem Fonds sollten schnelle erste Hilfen an Patienten fließen, die Schäden durch Kunstfehler erlitten haben, noch bevor ein Gericht über den Fall entschieden habe, sagte Brysch. Er sprach sich dafür aus, die Beweislast umzukehren. Bisher muss der Patient den Beweis für den Arztfehler und den dadurch erlittenen Schaden erbringen. Brysch hält zudem ein zentrales Register für notwendig: „Denn es braucht alle Fakten, um aus Fehlern zu lernen. Nur so können Behandlungsrisiken minimiert werden.“
Die vorgestellten Zahlen bewiesen die hohe Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern, betonte indes die Deutsche Krankenhausgesellschaft. 20 Millionen stationäre und 21 Millionen ambulante Fälle würden jedes Jahr in Krankenhäusern behandelt. „Der MDK selber kommt bei rund 2.800 Gutachten zu dem Ergebnis, es habe Fehler gegeben.“ Gerichtlich bestätigte Fehler seien das aber nicht.
„Diese geringe Quote ist Ergebnis guter Arbeit in den Kliniken und der seit Jahren immer weiter optimierten Fehlervermeidung und Risikominimierung“, betonte die DKG. Das Qualitätssicherungssystem im Krankenhaus sei sowohl international als auch national herausragend.
In Deutschland werden Behandlungsfehler nur vom MDS und der Bundesärztekammer jährlich erfasst. Außerdem haben sich verschiedene Akteure im Gesundheitswesen, unter anderem Kliniken, Berufs- und Fachverbände sowie Patientenorganisationen im Aktionsbündnis Patientensicherheit zusammengeschlossen, um die Fehlerkultur zu verbessern.