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Frauen

Hilfe für junge Mütter, die an Krebs erkranken




Charlotte Arnold war in der zehnten Woche schwanger, als sie ihre Brustkrebsdiagnose erhielt.
epd-bild/Christoph Böckheler
Wenn Mütter von kleinen Kindern oder Babys an Krebs erkranken, brauchen sie besondere Unterstützung: Wie kann ich mit Baby eine Reha machen, wer hilft mir im Haushalt, wie gehe ich mit der Angst meiner Kinder um? Viele fühlen sich allein gelassen - doch es gibt Unterstützung.

Frankfurt a. M. (epd). Charlotte Arnold war in der zehnten Woche schwanger, als sie erfuhr, dass sie Brustkrebs hatte. Sehr schnell musste sie eine Entscheidung treffen. Sie lautete: Kind und Therapie. Während der Schwangerschaft machte Arnold eine Chemotherapie und brachte ein gesundes Mädchen zur Welt. Doch als junge Mutter stand sie vor einem Riesen-Berg: „Ich hatte ein Baby und war schwer krank. Da haben sich Defizite im Gesundheitssystem aufgetan.“ Ihr fehlte Unterstützung im Alltag und beim Gesundwerden. Aus der Erfahrung heraus gründete sie mit anderen einen Verein: Pro Mater Sano - Für eine gesunde Mutter.

In Deutschland erkranken pro Jahr rund 500.000 Menschen an Krebs, darunter etwa 16.500 junge Menschen zwischen 18 und 39 Jahren. Brustkrebs ist in den Industrieländern die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Laut einer amerikanischen Studie wird in 6,5 von 100.000 Fällen während der Schwangerschaft Brustkrebs bei der Mutter diagnostiziert. „Das System denkt: Frauen erkranken ab 55 Jahren“, sagt Arnold. Aber die jüngste Mutter, die sich hilfesuchend an den Verein wandte, war 26.

Kampf mit etlichen Schwierigkeiten

Erkrankte Frauen mit einem Baby müssen mit ganz anderen Schwierigkeiten kämpfen als Mütter mit erwachsenen Kindern. Charlotte Arnold brauchte dringend eine Haushaltshilfe und schlug sich wegen der Zeiten mit der Krankenkasse herum. Auf dem Schreibtisch stapelte sich der Papierkram. Mit der Erkrankung gehe außerdem eine enorme finanzielle Belastung einher, ergänzt Ina Becker, die wie Arnold dem Vorstand von Pro Mater Sano angehört. Viele junge Mütter hätten finanzielle Sorgen, ihnen fehlten die Rücklagen. Pro Mater Sano hilft daher mit Geld, aber auch bei psychologisch-seelsorgerischen Themen oder der Frage „Welche Rechte habe ich?“.

Tatsächlich seien junge an Krebs erkrankte Mütter in einer besonderen Situation, „denn die Kinder fordern weiter die Aufmerksamkeit“, sagt Gudrun Bruns, Psychoonkologin und Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft für ambulante psychosoziale Krebsberatungsstellen. Diskussionen mit den Krankenkassen könnten kräftezehrend sein - da helfen die Krebsberatungsstellen, die eine Interessenvertretung gegenüber den Kostenträgern übernehmen. „Es braucht flächendeckend eine ambulante Krebsberatung“, fordert Bruns, „aber die gibt es nicht“.

„Reha mit Kinde quasi unmöglich“

Charlotte Arnold stellte außerdem fest: „Eine Reha mit Baby ist in Deutschland quasi unmöglich.“ Die Rexrodt-von Fircks-Stiftung finanziert jedes Jahr 800 Müttern Reha-Aufenthalte an der Nord- und Ostsee. Deren Kinder werden mittherapiert, müssen jedoch schon etwas größer sein. Aus therapeutischen Gründen, wie Maitreya Gipser von der Rexrodt-von-Fircks-Stiftung sagt, aber auch, weil Plätze fehlen.

Die Dolmetscherin und Romanistin Annette Rexrodt von Fircks erkrankte mit 35 Jahren an Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium, ihre Kinder waren damals drei, fünf und sieben Jahre alt. Aufgrund ihrer Erfahrungen gründete Rexrodt von Fircks im Jahr 2005 eine Stiftung.

Hilfe und Beratung im geschützten Raum

Bei den Reha-Aufenthalten geht es nicht nur um medizinische Fragen. „Viele Mütter haben große Sorgen um ihre Kinder“, sagt Gipser. Sollen sie ihnen sagen, dass die Mama sterben könnte? Können sie das aushalten? „Bei unseren Kuren ist es ein großer Faktor, dass die Frauen in einem geschützten Raum sind. Sie treffen andere Frauen mit denselben Problemen und Fragen.“

Die Kinder erlebten mit, dass ihre Mama „geschützt und behandelt“ wird. Ein Mädchen habe zu ihrer Mutter gesagt: „Mama, ich hatte so große Angst, dass du stirbst, aber jetzt bin ich sicher, dass du es schaffst.“

Krebs bei jungen Frauen - das sei ein Tabuthema, sagt Gipser. Einige berichteten: Am Anfang, wenn die Krankheit festgestellt werde, seien alle erstmal tief betroffen. Wenn nach der Chemotherapie die Haare wieder gewachsen seien, heiße es schnell: „Du siehst so gut aus!“ Gipser sagt: „Aber die Knochenschmerzen sieht man nicht.“ Und dann gebe es manchmal auch Geraune: So und jung und schon Krebs - „was hat die denn falsch gemacht?“

Beschäftigung eines „Onkolotsen“ geplant

In einer Leistungsgesellschaft nicht mehr leistungsfähig zu sein und dann noch um Hilfe zu bitten - „das fällt den Frauen ganz schwer“, berichtet Ina Becker von Pro Mater Sano. Sie wendeten sich oft nur zögerlich an den Verein, der einen bundesweiten Ausbau und die Beschäftigung eines „Onkolotsen“ plant - einer Person, die Erkrankte bei Fragen zu den Versorgungsangeboten unterstützt. Zurzeit erhält der kleine, in Frankfurt am Main ansässige Verein mit rund 30 Mitgliedern nach eigenen Angaben jeden Monat zwei neue Anfragen. „Das können wir gerade noch ehrenamtlich stemmen.“

Die Heilungschancen bei Krebs haben sich verbessert. Bei Brustkrebs ist die Überlebensrate vor allem davon abhängig, ob er rechtzeitig erkannt wird und wie aggressiv er ist. Bei einem lokal begrenzten Tumor können bis zu 90 Prozent der kranken Frauen geheilt werden. Doch Charlotte Arnold und Ina Becker sagen: „Manchmal haben wir auch Mamas, die wir verlieren.“

Stefanie Walter