sozial-Thema

Hochwasserkatastrophe

Hilfe für die Hilflosen




Pflegedienstleiterin Ida Kile
epd-bild/Meike Böschemeyer
Die Tatkraft der Helfer, die nach der Flutkatastrophe aufräumen, geht in Bildern um die Welt. Die, die schon vorher Hilfe brauchten, haben vielleicht kein Wasser im Keller - doch wenn der Pflegedienst nicht kommt, sind sie hilflos.

Swisttal (epd). Christian Brix schleppt volle Kisten mit Brot, Konserven, Nudeln und Reis. Wasser, Klopapier, medizinische Masken und Corona-Tests kommen auch in den weißen Lieferwagen, der vor der Swisttaler Tafel im Ortsteil Heimerzheim steht. Es ist Dienstagmorgen, die Flutkatastrophe im südlichen Nordrhein-Westfalen und nördlichen Rheinland-Pfalz ist knapp zwei Wochen her und die Tafel fährt an diesem Tag erstmals wieder Lebensmittel zu den Menschen, die wegen Alter und Krankheit nicht selbst zum Ladenlokal kommen können.

Das Gebäude, in dem sich die Tafel befindet, wurde verschont, als die Swist über die Ufer trat. Weiter unten im Dorf sieht es dagegen schlimm aus. Auch das Haus, in dem Brix lebt, ist schwer beschädigt. Waschmaschine, E-Bike, Auto - alles hat das Wasser zerstört. Doch trotzdem hilft Brix heute ehrenamtlich bei der Ausfahrt der Lebensmittel.

Die Tafeln versorgen bundesweit Menschen mit gespendeten Lebensmitteln. In Swisttal können Menschen, die von Sozialleistungen leben, zweimal in der Woche - dienstags und freitags - zur Lebensmittelausgabe kommen. In Krisenzeiten wird der gemeinnützige Verein oft zur Anlaufstelle für Hilfsbedürftige, Helfer und Spender. So auch jetzt: Nicht nur Nahrung bekommen die Menschen hier, auch Hygiene-Artikel oder ein Paar Handschuhe und Gummistiefel können hier abgeholt werden.

Lieferung in acht Haushalte

Brix muss acht Haushalte in Heimerzheim und Odendorf beliefern, beides Ortsteile, die schwer vom Hochwasser betroffen sind. Hinter den Haushalten verbergen sich meistens alleinstehende alte Frauen oder Ehepaare, die auf Hilfe und teilweise auch auf häusliche Pflege angewiesen sind. Eine Frau, der Brix eine Kiste bringt, sitzt im Rollstuhl. Sie erzählt, dass sie Glück hatte, weil das Wasser nicht bis zu ihrem Haus kam. Sie lebt mit einer Betreuerin zusammen, weil sie 24 Stunden am Tag auf Hilfe angewiesen ist. Die Betreuerin ist es auch, die in den Tagen nach dem Wasser Lebensmittel holen konnte.

Eine andere Frau, die mit ihrem bettlägerigen Mann zusammen in einer kleinen Wohnung in Heimerzheim lebt, ist zu Tränen gerührt, als sie von Brix erfährt, dass sie für die Lieferung heute nicht bezahlen muss. In der Regel müssen die Tafel-Kunden einen kleinen Betrag für die Lebensmittel bezahlen, die sie von der Tafel erhalten. Doch wegen der Ausnahmesituation ist das heute anders. Überall, wo Brix hinkommt, herrscht große Dankbarkeit. Eine alte Frau erzählt fröhlich, dass sich das Leben für sie wieder normalisiert hat, weil auch der Pflegedienst wieder zu ihr kommt, der sie wäscht und ihr die Stützstrümpfe an- und auszieht. Die Frau wird von der Sozialstation des Deutschen Roten Kreuz in Odendorf gepflegt.

Zurück im Normalbetrieb der Pflege

Dort ist seit Anfang der Woche weitgehend der Normalbetrieb eingekehrt. Die Pflegedienstleitung der Sozialstation, Ida Kiel, sitzt wieder hinter ihrem Schreibtisch. Sie ist erleichtert, dass ihre 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder ihre Touren fahren können. Nur einige Kunden in Odendorf müssen die Pflegekräfte zu Fuß aufsuchen, weil Straßen und Brücken zerstört sind. Die Station selbst war nicht vom Hochwasser betroffen.

Als das Wasser vor zwei Wochen stieg, waren noch Pflegerinnen im Spätdienst unterwegs, erzählt Kiel. „Meine Mitarbeiterinnen haben mich angerufen und haben gesagt, dass das Wasser auf den Straßen so hoch steht, dass sie mit den Autos nicht mehr durchkommen. Wir haben die Tour dann abgebrochen.“ Die noch zu versorgenden Kunden versuchte sie, über Handy zu erreichen.

Bis vergangenen Sonntag herrschte Notversorgung. Denn das Hochwasser hatte es unmöglich gemacht, die Kunden zu erreichen. Einige wurden evakuiert, auch die Sozialstation war tagelang nur unter Lebensgefahr zugänglich, weil der Damm einer Talsperre zu brechen drohte und der Ort in diesem Fall binnen einer Viertelstunde ein weiteres Mal überflutet worden wäre.

Schnell Notversorgung organisiert

Kiel und ihr Team haben trotzdem alles gegeben, um die Menschen, die auf ihre Pflege angewiesen sind, nicht im Stich zu lassen. Um die lebenswichtige Versorgung für die Kunden sicherzustellen, holten Kiel und weitere Mitarbeiter Tabletten und Haustürschlüssel noch während der Evakuierung aus der Sozialstation. Die Atmosphäre sei ihr unheimlich vorgekommen. „Da war so eine Stille im Dorf“, erinnert sich Kiel.

Kiel organisierte die Notversorgung für diejenigen, die am dringendsten auf Hilfe angewiesen sind. Bei den übrigen informierte sie die Angehörigen. Von den über 90 zu versorgenden Kunden wurden etliche in Heimen und Krankenhäusern untergebracht, so dass sich Kiel erst einen Überblick verschaffen musste, wer sich noch in der Wohnung befindet und versorgt werden muss. Kunden, die zuhause bleiben konnten, erhielten ihre Medikamentenration für vier bis sieben Tage, damit die Pflegekräfte nicht täglich vorbeikommen mussten.

Jetzt seien Routinen und der Kontakt zu Bezugspersonen sehr wichtig für die Kunden, sagt Kiel. „Wir müssen viel mit den Menschen reden.“ Die Rückkehr zur Normalität sei auch für die Kunden nun entscheidend.

Franziska Hein