sozial-Recht

Bundessozialgericht

Jobcenter muss Schuldnerberatung sicherstellen




Jobcenter müssen nach einem Urteil des BSG die Kosten für eine Schuldnerberatung tragen.
epd-bild/Norbert Neetz
Jobcenter müssen bei der Arbeitsvermittlung auch die Überschuldung Arbeitsloser in den Blick nehmen. Ist eine Schuldnerberatung zur Bewältigung von Motivationsproblemen bei der Jobsuche erforderlich, müssen die Beratungskosten übernommen werden, urteilte das Bundessozialgericht.

Kassel (epd). Hohe Schulden bei Hartz-IV-Beziehern können die Suche nach einem neuen Job deutlich erschweren. Jobcenter sind daher zur Übernahme der Kosten für eine erforderliche Schuldnerberatung verpflichtet, wenn diese „die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erst vorbereitet oder flankierend unterstützt, indem sie der Bewältigung von Motivationsproblemen und der Stabilisierung der Betroffenen dient“, urteilte am 21. Juli das Bundessozialgericht (BSG). In zwei weiteren Urteilen klärten die Kasseler Richter zudem die Freibeträge auf Einkünfte eines Übungsleiters eines Sportvereins und den Unterkunftsbedarf von früheren Pflegeeltern wegen des Umgangs mit einem Kind.

Im ersten Verfahren ging es um einen seit Oktober 2011 Hartz IV- beziehenden Mann aus Bremen. In der Vergangenheit hatte er mehrfach Probleme mit dem Jobcenter. So lehnte er eine Eingliederungsmaßnahme in den Arbeitsmarkt ohne ärztliches Attest aus gesundheitlichen Gründen ab. Auch Meldetermine hatte er versäumt.

Als er wegen Schulden in Höhe von 60.000 Euro eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen wollte, beantragte er beim Jobcenter die Übernahme der Kosten. Die Schulden lähmten ihn bei der Jobsuche. Er verwies auf die gesetzliche Bestimmung, wonach „zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit“ auch die Schuldnerberatungskosten gehören könnten - vorausgesetzt, sie seien erforderlich.

Jobcenter sah keinen Sinn in der Beratung

Doch das Jobcenter meinte, dass der Mann sich jeglichen Vermittlungsbemühungen verweigere. Daher sei die Schuldnerberatung als Eingliederung in den Arbeitsmarkt ungeeignet. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen bestätigte dies Entscheidung.

Das BSG hob dieses Urteil nun aber auf und verwies das Verfahren zurück. Können die Beratung und der damit beabsichtigte Abbau der Schulden die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern, müsse das Jobcenter die Kosten übernehmen. Das gelte bereits, wenn die Beratung bestehende Motivationsprobleme beim Arbeitslosen verbessert.

Um im Einzelfall beurteilen zu können, ob das zum Erfolg führe, sei eine Prognose notwendig, „ob das mit der Leistung verfolgte Eingliederungsziel erreicht werden kann und dafür erforderlich ist, weil in der Verschuldenssituation ein arbeitsmarktspezifisches Eingliederungshindernis begründet liegt“, urteilte das BSG. Kein Anspruch bestehe dagegen, wenn der Arbeitslose sich jeglichen Vermittlungsbemühungen verweigere.

Prognose für die Zukunft fehlt

Das LSG habe hier aber nur das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit berücksichtigt, ohne eine Prognose für die Zukunft zu stellen. Das müsse nachgeholt werden, so das BSG.

Im zweiten BSG-Rechtsstreit ging es um einen im Hartz-IV-Bezug stehenden Sportlehrer, der Einkünfte aus einem Fitnessstudio sowie als Übungsleiter für einen gemeinnützigen Sportverein erzielte. Das Jobcenter Kassel gewährte ihm im Streitmonat April 2016 auf seine erzielten Einkünfte als Übungsleiter den gesetzlichen Grundfreibetrag von 100 Euro.

Der Sportlehrer verlangte wegen seiner gemeinnützigen Nebentätigkeit im Sportverein und seine dabei erzielten steuerfreien Einkünfte den erhöhten Grundfreibetrag von 200 Euro (heute 250 Euro).

Gemeinnützigkeit erhöht Freibetrag

Das BSG urteilte, dass wegen der gemeinnützigen Vereinstätigkeit der höhere Freibetrag in Betracht komme. Allein eine ehrenamtliche Tätigkeit sei für den höheren Freibetrag nicht erforderlich. Die Tätigkeit müsse aber einen gemeinnützigen Zweck verfolgen. Das Gesetz sehe den höheren Freibetrag etwa bei Tätigkeiten als Übungsleiter oder Erzieher vor. Auch bei Tätigkeiten der nebenberuflichen Pflege alter und kranker Menschen könne der Freibetrag greifen, wenn diese im Auftrag oder im Dienst einer juristischen öffentlichen Person erfolgen - etwa bei einem Hospizverein. Das LSG müsse aber noch einmal prüfen, ob der Sportlehrer tatsächlich einer Nebentätigkeit nachging, so das BSG. Nur dann sei der erhöhte Freibetrag möglich.

Im dritten Verfahren urteilten die Kasseler Richter, dass frühere Pflegeeltern eines behinderten Kindes wegen des vom Jugendamt gewährten Umgangsrechts beim Jobcenter einen höheren Unterkunftsbedarf geltend machen können. Ähnlich wie bei getrennt lebenden Eltern könne auch bei früheren Pflegeeltern das behördlich genehmigte Umgangsrecht „aus sozial-familiären Beziehungen“ einen größeren Wohnraumbedarf rechtfertigen. Denn auch hier könne mit den regelmäßigen Wochenendbesuchen des Kindes eine temporäre Bedarfsgemeinschaft vorliegen. Das müsse das Thüringer Landessozialgericht noch einmal prüfen, so das Gericht.

Az.: B 14 AS 18/20 R (Schuldnerberatung)

Az.: B 14 AS 29/20 R (Übungsleiter)

Az.: B 14 AS 31/20 R (Umgangsrecht)

Frank Leth