Bonn (epd). Psychologinnen und Psychologen rechnen in den kommenden Wochen mit einem hohen Unterstützungsbedarf von Hochwasser-Opfern. „Da wird noch viel auf uns in den Kliniken, aber auch auf die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen zukommen“, sagte Julia Möller, Psychologin in der Trauma-Ambulanz der LVR-Klinik in Bonn, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Angesichts der großen Zahl von Hochwasser-Opfern und Helfern mit traumatischen Erlebnissen seien zusätzliche Angebote notwendig.
„Hier in der Klinik versuchen wir, die Kapazitäten zu erhöhen und für die Betroffenen ausreichend Gesprächstermine mit Psychologinnen und Psychologen bereitzustellen“, sagte Möller. „Wir bieten Hochwasser-Opfern bis zu fünf Stunden Soforthilfe an.“ Verstärkt werde die Nachfrage auch dadurch, dass psychologische Hilfsangebote in den Hochwasser-Regionen teilweise weggebrochen sind. So musste etwa die Ehrenwall’sche Fachklinik in Bad Neuenahr-Ahrweiler ihren Betrieb einstellen. In der derzeitigen Ausnahmesituation könnten sich laut LVR-Klinik Betroffene aus den angrenzenden rheinland-pfälzischen Kreisen nun auch an die Bonner Trauma-Ambulanz wenden.
Auch viele niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten aus der Region stellten sich derzeit mit zusätzlichen Zeitangeboten auf die verstärkte Nachfrage von Hochwasser-Opfern ein, erklärte Möller. So bietet etwa die Initiative „Soforthilfe Psyche - Netzwerk Flutopferhilfe Rheinland-Pfalz und NRW“ über ihre Website www.sofortaktiv.de Unterstützung an.
Möller rät Betroffenen, Hilfe zu suchen, wenn sie eine starke psychische Belastung spüren. Anzeichen seien etwa starke Anspannung und Überforderung, Schlafstörungen, Alpträume sowie immer wiederkehrende Bilder des Erlebten. Oft breche das Gefühl von Kontrollverlust und Hilflosigkeit erst einige Zeit nach dem traumatischen Ereignis über die Menschen herein, erklärt die Psychologin. „Viele Menschen funktionieren erst einmal und bekommen im Hochstress viel hin.“ Erst wenn etwas mehr Ruhe einkehrt, habe das Gehirn die Möglichkeit, sich mit dem Erlebten zu beschäftigen.
„Wenn diese Symptomatik auftaucht, heißt das aber nicht gleich, dass die Betroffenen psychische Beeinträchtigungen davontragen“, betont Möller. Zwei Drittel der von einem Trauma Betroffenen brauchten keine langfristige psychologische Hilfe. Oft reichten auch ein oder mehrere Gesprächstermine, um wieder Sicherheit zu gewinnen. In der Traumaambulanz vermittelten die Therapeutinnen und Therapeuten unter anderem Beruhigungstechniken und Strategien zur Stärkung der Selbstwirksamkeit. Dann werde gemeinsam überlegt, ob weitere Hilfe notwendig ist.